Unterwegs sein
ich gehe weiter, tauche ein ins Lebensbunt,
mag mir das Bunt auch grau erscheinen,
werde Mut-Knospen zum Blühen bringen,
- die immer noch verborgen sind -
bin noch nicht mit mir im reinen,
- doch Lebensgeister tanzen
neu erwacht zwischen zarten Apfelblüten-
tanzen wie Kobolde, necken mich, singen
Lieder für den Mut, und
versuchen, den Ängsten ein Schnippchen zu schlagen.
Ich gehe weiter, gebe nicht auf,
gehe nicht auf alten Pfaden, lass mir kein
X für ein Y * vormachen, ich laufe, ich laufe,
aber nicht weg, sondern vorwärts, klein
sind die Schritte, Bewegen ist Ändern,
hilft mir, die Angst zu verringern - vielleicht gar zu verjagen,
Erstarren hilft nicht, ich gehe weiter, sehe
den Wind mit dem Wasser spielen,
sehe die Wellen das Tanzbein schwingen,
- ein Schwan taumelt durch den schwankenden See -,
das Schauspiel betrachtend, kann ich hören und fühlen,
wie die Melodie meiner Geschichte klingt.
Der Sturm von Sonnenlicht durchflutet, in jede Ecke weht,
weht, nicht Wehklagen, auch er singt Melodien, laute und leise,
umweht die kleine Kirche am Uferrand,
ich trete ein, mich empfängt Stille, höre in mich hinein,
komme zur Ruhe, betrete jetzt mein inneres Land,
bette mich in ihre Einfachheit, versuche, mit mir eins
zu werden, vergesse kummervolle Gedanken, und auch die weisen
für eine kleine große Weile. Bin unterwegs, lass mich
mit mir alleine, bin ein Zugvogel auf langer Reise, schau
meine Welt von ferne an, erscheint sie mir oft winzig klein,
fremd mitunter, meine Stimmung unendlichkeitsblau,
lasse mich tragen durch die Zeit, wie jener Schwan
sich durch die Wellen, taumelnd zwar, doch nicht
ohne Zuversicht.
(Sigrid Josten)
*"X für ein Y vormachen" fällt unter dichterische Freiheit.
Bodensee: St. Silvesterkapelle in Goldbach (nahe Überlingen)
Kommentar schreiben