27.5.2017, Samstag, 11 km
Jakobsweg, Bonn - Metz, Karte: von Buschhoven/Swisttal nach Rheinbach
Knapp zwei Tage nach meiner 1. Etappe Richtung Buschhoven durch den singenden Kottenforst, setze ich heute ab Buschhoven weiter nach Rheinbach meine Tour fort. Dieses Mal fahre ich mit meinem Auto über die A 565 bis Abfahrt Hardtberg, dann über die B 56 bis nach Buschhoven, stelle es dort ab und gehe los. Meine Füße "miauen" noch ein bisschen, haben sich aber im Großen und Ganzen erholt. Und heute erprobe ich andere Schuhe als beim ersten Mal. Vielleicht sind sie ja besser zum Laufen geeignet als die anderen. Ich werde es bald wissen.
Es ist noch früh am Morgen. Für meine Verhältnisse. Irgendwann zwischen 8.30 und 9 Uhr. Mein erster Weg lenkt mich in die St. Katharina- Kirche.
Die Wallfahrtskirche St. Katharina wurde 1972 erbaut. Sie dient für viele als Ort der Marienverehrung. Wer mehr darüber lesen möchte, kann den oben angegebenen Link anklicken. Ich persönlich kann mit der typisch katholischen Marienverehrung überhaupt nichts anfangen. Aber mir gefällt die Kirche. Sie wirkt hell und freundlich. Ich verweile eine längere Zeit dort, bevor ich schließlich meine Pilgerreise fortsetze.
Ich gehe weiter.
Mein Weg führt mich bald aus Buschhoven hinaus, Wiesen und kleine Gebüsche begleiten mich. Und wieder der Zilpzalp von vorgestern, der sich anscheinend vorgenommen hat, mich auch auf dieser 2. Etappe zu begleiten. Ja, ja, ich weiß, es gibt mehr als einen. Aber es ist trotzdem nett, sich vorzustellen, dass es immer derselbe sein könnte.
Obwohl es noch recht früh ist, wird es schon ziemlich warm. Kurz nachdem ich an der Kies-Sandgrube hinter Buschhoven vorbeigegangen bin, und Ausschau nach der Abzweigung nach Lüftelberg halte, begegnet mir ein Fahrradfahrer auf seinem Rennrad. Er hat seinen Blick starr geradeaus gerichtet, scheint nichts um sich herum wahr zu nehmen, versunken in seiner eigenen Welt. Trotz Helm und Fahrradbrille, kommt er mir vage bekannt vor. "Nein", denke ich, "das kann nicht sein, zuviel Zufall", aber die Gegend würde passen. Jedenfalls reicht diese Begegnung aus, mir den ganzen Tag Gedanken zu machen. Vielleicht habe ich mich ja auch getäuscht. In dieser Fahrradmontur sehen sich alle ziemlich ähnlich. Aber trotzdem. Ich kann mich in solche Überlegungen gut hineinsteigern. Vielleicht hätte ich einfach probeweise seinen Namen hinter ihm herrufen sollen. Mir wird geschichtsträchtig zumute. "Aktenzeichen" XY ungelöst. Jetzt wird mir dieses Versäumnis für den Rest des Tages nachhängen. Mit diesen Gedanken im Kopf schaue ich dem Radfahrer hinterher, sehe, wie er nach links Richtung Flerzheim abbiegt. Ich drehe mich um, wandere weiter geradeaus, vorwärts. Vielleicht hilft die Bewegung.
Abgesehen von diesem Fahrradfahrer begegne ich auf dieser Strecke nur wenigen Menschen. Kurz nach dieser für mich wieder einmal geschichtsträchtigen "Begegnung" muss ich einen Straßenkreisel queren, ein Stück lang an der Straße entlang gehen, bis ich dann abbiege Richtung Lüftelberg. Dieses Dorf verdankt seinen Namen der Heiligen Lüfthildis, die hier im achten Jahrhundert gelebt haben soll. Weiteres dazu findet man unter dem obigen Link. Es gibt dort eine sehr hübsche kleine romanische Kirche St. Peter, die ich gerne besichtigen würde. Aber leider ist sie verschlossen, so dass ich mir die Kirche nur von außen ansehen kann. Schon wieder das alte Thema: Verschlossene Kirchen. Leider. Ich setze mich ein wenig in den Schatten an der Rückseite der Kirche, geselle mich zu ein paar alten Grabsteinen, genieße die Ruhe, fühle mich ein bisschen wie Eichendorffs "Taugenichts" , wenn der von seinen Wanderungen erzählt, bevor ich wieder meinen Rucksack schultere und weitergehe. Ich glaube, ich komme noch einmal wieder, vielleicht habe ich dann mehr Glück, und die Kirche ist offen, oder aber an einem Sonntag.
Inzwischen ist es ziemlich heiß geworden. Ich habe mir meinen unaussprechlichen Hut aus dem Rucksack geholt, weil der Weg mich die meiste Zeit durch die freien Felder führt. Kaum Möglichkeiten zum Schattenspringen. Ich verlasse Lüftelberg mit seinen hübschen Fachwerkhäusern, und gelange am Ortsausgang an die Burg Lüftelberg..
Die ursprüngliche Burg Lüftelberg stammt aus dem 13. Jahrhundert. Bei Interesse kann man den oben angegebenen Link anklicken. Man kann die Burg (heute ist sie ein Wasserschloss) auch besichtigen. Aber für derlei Exkursionen ist mir heute viel zu heiß. Also lasse ich die Burg bald hinter mir und wandere weiter Richtung Flerzheim. Der Weg führt vorwiegend durch Felder. Anderen verrückt gewordenen Wanderern oder Fahrradfahrern, die meinen, sich bei dieser Hitze bewegen zu müssen, begegne ich kaum. Sehr vernünftig.
Als ich in Flerzheim ankomme, ist es Mittagszeit, das Städtchen scheint wie ausgestorben zu sein. Inzwischen fühle ich mich auch ziemlich "ausgestorben". Ich zerfließe in meine Einzelteile, außerdem wird das "Miauen" meiner Fußsohlen lauter, anscheinend wieder die falschen Schuhe. Ich schleiche am Swistbach entlang, der mitten durch das Städtchen fließt und ein kleines bisschen an die Grachten in Amsterdam erinnert, im Miniformat. Dann stehe ich vor der Kirche ""St. Martin" . Ich habe keine besonders spirituellen Gedanken, als ich in die Kirche stürme, sondern eher sehr weltliche. "Endlich Abkühlung", denke ich, und setze mich in eine Kirchenbank, von der ich mich vorerst auch nicht mehr zu erheben gedenke.
St. Martin wurde Anfang des 20. Jahrhunderts in neugotischem Stil erbaut. Ihre Vorgängerkirche wurde um dieselbe Zeit abgerissen, da sie vom Einsturz bedroht war.
Der neugotische Stil gefällt mir, weil es auch hier nicht zu viel "Schnickschnack" "drumherum" gibt. In der Architektur bin ich ein Verfechter der schlichten und geraden Formen. Mit dem verspielten, aufgeblasenen Bauwerk aus der Barockzeit kann ich nicht viel anfangen. Aber das ist freilich sehr subjektiv. Anders in der Musik. Barockmusik liebe ich. Während mir diese Gedanken durch den Kopf gehen, kühle ich langsam wieder ab. Zeit weiter zu gehen.
Wagemutig verlasse ich also wieder die Kirche, um in der flirrenden Hitze weiterzugehen. Gut, dass ich dieses unsägliche Strohhütchen dabei habe. Mittlerweile ist Mittagszeit, die Sonne brennt unbarmherzig. Mit langsamen, zerfließenden Schritten lasse ich Flerzheim hinter mit, vor mir öffnen sich weite Felder, kein Wölkchen am Himmel. Ich versuche, mir abkühlende Gedanken zu machen, aber so richtig gelingt mir das nicht. Als ich das nächste Dorf, Ramershoven, erreiche, suche ich Zuflucht im Schatten eines Baumes und frage mich, warum zum Kuckuck ich mir diese Tortur auferlege. Bis Rheinbach dauert es jetzt nicht mehr so lange, aber die Strecke zieht sich wie Kaugummi. Zu allem Überfluss missverstehe ich ein Schild und biege falsch ab, - nachdem ich mich die ganze Zeit schon gewundert habe, wann zum Teufel denn die nächste Jakobsmuschel auftaucht. Aber vielleicht sollte man den Teufel auf diesem Weg lieber aus dem Spiel lassen. Bevor meine aufgeweichten Gehirnzellen jedoch verstehen, dass ich den ganzen vermaledeiten Weg wieder zurückmarschieren muss, bin ich ihn schon eine gute Viertelstunde entlangegangen, immer parallel zur A61, also von der Lage her auch nicht besonders prächtig. Zähneknirschend trete ich den Rückweg an. Es ist ja nicht nur so, dass mir diese Hitze ziemlich zusetzt, auch meine Füße reagieren auf meine Schritte zunehmend gereizter. Endlich gelange ich wieder an den Punkt in Ramershoven, wo meine Irrfahrt begonnen hat. Ich gucke dieses Mal genauer, weil ich mich bei dieser Hitze nicht noch einmal verlaufen möchte. Mein Weg führt mich an der Straße entlang über eine Brücke, die die A61 überquert. Diese Strecke finde ich jetzt nicht so prickelnd. Sie geht noch ein ganzes Stück weit immer an der Hauptverkehrsstraße entlang, bis ich kurz vor dem Ortseingang von Rheinbach fast aus dem letzten Loch pfeife, und mich an einer weiteren Brücke, eine Nottreppe hinunter in schattiges Gebüsch flüchte. Direkt an der Straße. Doch das ist mir im Moment piepegal. Ich setze mich auf die schattige Treppe und bleibe dort bestimmt eine Stunde lang sitzen. In der Zeit und mindestens eine Wasserflasche später frage ich mich zum wiederholten Male, was mich da gerade reitet, dass ich mir diese Pilgerreise auferlege, ich habe das Gefühl, es tun zu müssen. Es ist wie eine Suche nach Antworten auf ganz viele Fragen, auf die ich einfach keine Antworten finden kann, da hat sich einiges summiert. Wenigstens bringt das Laufen das Hirn in Bewegung, normalerweise, aber bei dieser Hitze habe ich gerade das Gefühl, es zerfließt alles zu einem Einheitsbrei. Ich sitze da, warte, dass die Schatten länger werden. Mache mich dann wieder humpelnd auf den Weg. Meine Fleischbällchen lassen grüßen.
Gott sei Dank bin ich kurze Zeit später in Rheinbach, das ich ganz gut kenne. Aus diesem Grunde finde ich die Kirche St. Martin ohne Umwege. Dort angekommen genieße ich ihre angenehme Kühle und resümiere noch einmal über diesen Tag. Dann mache ich mich auf zum Bahnhof, von dem aus mich ein Bus nach Buschhoven zurückbringen soll. Soweit geplant. Aber wenn ich schon einmal etwas plane. Dann klappt das nicht unbedingt auch so, wie ich mir das vorgestellt habe. Wie gesagt, ich bin eigentlich ein Mensch mit tendenziell spontanen Entschlüssen. Das Planen scheint mir nicht ganz so im Blute zu liegen. Nachdem ich ca. eine halbe Stunde auf den Bus gewartet hatte, der aber nicht kommt, obwohl er laut Fahrplan eigentlich kommen soll, gucke ich mir letzteren noch einmal genauer an, um dann festzustellen, dass die hieroglyphenartigen Symbole, die wohl Telefonhörer darstellen sollen, bedeuten, dass samstags überhaupt keine Busse fahren, sondern nur Ruftaxis, die man aber anrufen muss, damit sie auch kommen. Natürlich nur zur angegebenen Fahrplanzeit. "Das heißt, in einer Stunde", überlege ich, rufe sofort dort an, um dann wieder zu erfahren, dass das Ruftaxi, das in einer Stunde kommt, schon ausgebucht ist, ich muss das übernächste nehmen. Das heißt im Klartext, ich hänge jetzt noch zwei Stunden am Rheinbacher Bahnhof herum, ähnlich "viel Glück" wie vorgestern in Buschhoven, als ich der Tankstelle Gesellschaft geleistet habe. Also merke: An den Samstagen und Sonntagen fahren in dieser ländlichen Gegend nur noch Ruftaxis, weil sich die großen Linienbusse wirtschaftlich einfach nicht lohnen.
Mir ist ganz hitzeflimmerig zumute, und meine Füße fühlen sich schon wieder an wie rohe Fleischbällchen. Wer den Rheinbacher Bahnhof kennt, der weiß, dass es dort keine Wartehalle gibt. Man muss draußen sitzen. Bänke sind dort ebenfalls Mangelware. Also setze ich mich ziemlich erschöpft auf den staubigen Boden, benutze meinen Rucksack als Rückenlehne ... und warte ... und warte.... Ab und an tauchen ein paar Teenies auf, sorgen für etwas Abwechslung, die bleiben aber nie lange, denn ihre Ruftaxis kommen alle früher als meines.... Aber irgendwann ist es dann doch soweit. Mein Ruftaxi kommt, das letzte an diesem Abend, erfahre ich dann, "na wunderbar", denke ich, - ein Rückmarsch zu Fuß wäre sehr "lustig" geworden, wahrscheinlich wäre ich dann auf Händen gegangen.... - während mich der sehr redselige Taxifahrer nach Buschhoven kutschiert, eine relativ kurze Fahrt. Der Fußweg war länger. Endlich bin ich dann an meinem Auto. Natürlich ist das auch der reinste Brutofen. Aber nach einer kurzen Akklimatisationsphase und dank meiner Klimaanlage, die zwar aufgrund ihrer Betagtheit immer ein bisschen Zeit braucht, aber dann doch funktioniert, fühle ich mich kurze Zeit später nicht mehr wie ein ganzes gegrilltes Hühnchen, sondern nur noch wie ein halbes, und lasse den Tag Revue passieren.
1. Allein Wandern macht trotz gegrilltem Zustand immer noch Spaß.
2. Ich mache weiter. Das nächste Mal geht´s von Rheinbach nach Bad Münstereifel.
3. Im Zweifel immer auf die Karte gucken, heute wieder mal gemerkt.
4. Ich wünschte, "mein" "Aktenzeichen" könnte ich lösen. Oder die Lösung käme mit den Wolken.
5. Auf jeden Fall den Sonnenhut mitnehmen. Ich war froh, dass ich ihn hatte. Sonnencreme wäre auch nicht schlecht.
6. Das nächste Mal andere Schuhe anziehen. Scheint auch ein Thema bei dieser Wanderschaft zu werden.
7. Ob der Zilpzalp mich beim nächsten Mal wieder begleitet?
Bis zum nächsten Mal von Rheinbach nach Bad Münstereifel. Vielleicht nächsten Samstag.
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