10.6.2017: 21 km, von Bad Münstereifel nach Blankenheim/Eifel, aber eigentlich waren es mehr...
Heute fahre ich nach Bad Münstereifel, dort, wo ich meine 3. Etappe beendet habe, um von dort aus den Jakobsweg Richtung Blankenheim zu wandern. Um sechs Uhr morgens klingelt der Wecker. Obwohl ich schon das meiste am Vorabend in meinen Rucksack gepackt habe, "verbasele" ich mich , so dass es doch schon nach acht ist, bevor ich von zu Hause aus mit dem Auto nach Bad Münstereifel starte. Ich fahre wie in den letzten Etappen, über Bonn, die B 56 Richtung Euskirchen, dort die B 51 zu meinem Zielort. Direkt am Bahnhof finde ich einen Park & Ride Parkplatz. Ich laufe quer durch das kleine Städtchen, das so relativ früh am Morgen noch ziemlich verschlafen wirkt, betrachte die Fachwerkhäuser, die ohne die Touristenmassen viel hübscher wirken und besuche die Kirche St. Chrysanthus und Daria, eine ehemalige Stiftskirche der Benediktiner, schräg gegenüber vom Rathaus.
Hier empfängt mich die angenehme friedliche Atmosphäre, die mich an leeren Kirchen immer so anzieht. So zeitig am Morgen bin ich hier die einzige Besucherin. Die Kirche stammt aus dem 11. Jahrhundert und ist in ihren Grundzügen romanisch. Habe ich schon erwähnt, dass ich ein großer Fan romanischer Kirchen bin. Ich mag ihre Einfachheit, kein Gedöns, wenig Geschnörkel.
Ich denke, die Fotos sprechen für sich selbst. Wer sich ausführlicher darüber informieren möchte, kann den oben angegebenen Link anklicken.
Aufgetankt mit "Kirchenstille" fühle ich mich gut ausgerüstet für meinen "Ausflug". Ein guter Einstieg für eine lange Tour.
Ich mache mich wieder auf den Weg.
Ich verlasse das Städtchen durch das Heisterbacher Tor, quere eine Straße, um dann erst einmal ziemlich steil bergauf den mit der Jakobsmuschel gut ausgeschilderten Weg Richtung Nöthener Parkplatz zu wandern. Wobei hier "wandern" ein bisschen zu gewagt klingt, denn in Anbetracht des steil bergauf führenden Weges, wäre hier "schleichen" eher die richtige Wortwahl für meine Fortbewegungsart. "Na prima", denke ich, "wenn das so weitergeht, kann ich daraus eine Wochentour machen". Aber ich bin trotzdem guten Mutes.
Nachdem ich das Steilstück erfolgreich erklommen habe, wandere ich unweit der kleinen Dörfer Hohn und Nöthen durch offene Wiesen und Waldstücke. In dieser Gegend bin ich als Kind bzw. Jugendliche öfter gewesen. Erinnerungen aus vergangenen Zeiten gehen mir durch den Kopf. Dabei stelle ich fest, dass alle meine bisherigen Etappen einen geschichtsträchtigen Hintergrund haben - für mich persönlich. Mit allen vier Reise-Etappen, inklusive dieser, verbinde ich bestimmte Episoden in meinem Leben, die mich auch geprägt haben. Bis in die jüngste Zeit hinein. Und das war bunt gemischt, nicht immer lustig, mitunter ziemlich schmerzlich. Es ist viel passiert - und - was mir immer klarer wird , ich habe viel an und mit mir passieren lassen. Das ist ein Gedanke, der mich zunehmend beschäftigt.
Das Unterwegs-Sein scheint mich zu neuen, vielleicht sogar klareren Erkenntnissen zu führen. Mein Hirn scheint sich gerade gut "durchzulüften".
Aber lassen wir das. Ich werde sonst dramatisch. Und das will jetzt keiner.
Das Wetter ist heute optimal. Wolken ziehen am Himmel entlang und scheinen in derselben Reiselaune zu sein wie ich. In den blauen Wolkenpausen schaut dann immer wieder einmal die Sonne vorbei, guckt, was ich denn so mache da unten. So mag ich den Sommer. Auch mein treuer Begleiter, der Zilpzalp ist wieder da. Er lässt mich nicht im Stich. Ich kann ihn zwar nicht sehen, aber er lässt immer wieder "von sich hören". Eine schöne Metapher in meinem Kopf, die auf jeder dieser Etappen immer wiederzukehren scheint ...
Mit diesen erfreulichen Gedanken wandere ich weiter, gelange in ein kleines Waldstück, an dessen Rand ich eine hübsch gelegene Bank entdecke. Vor allem die Texttafel hinter der Bank beeindruckt mich. "Rüstige Senioren". Dieser Name hört sich in meinen Ohren sehr sympathisch an. In meiner Fantasie stelle ich mir eine Gruppe von zehn bis zwanzig noch sehr agilen Rentnern vor, die hier oben in regelmäßigen Abständen die Wiesen und Wälder unsicher machen. Ein lustiges Bild.
"Altersmäßig passe ich ja schon ganz gut auf die Bank", denke ich, "na ja, noch nicht ganz, aber Tendenz wachsend" und setze mich. Das Pausieren ist für mich genauso wichtig, wie das Wandern selbst. Innehalten und einfach die Umgebung in sich "aufsaugen". Das hat etwas sehr Entspannendes und Beruhigendes. Gehört einfach dazu. Nun sitze ich hier und gucke in die Landschaft. Ein für mich selten gewordenes Gefühl von Zufriedenheit macht sich in mir breit. Ein Wanderer kommt vorbei, grüßt, geht seines Weges.
Ich genieße den wunderschönen Blick in die Eifel. Das Landschaftsbild typisch mit seinen Wiesen und Wäldern. In mir meldet sich wieder einmal die Sprachwissenschaftlerin, will wissen, "woher stammt das Wort ´Eifel`". Ich habe zu Hause ein bisschen nachgeforscht. Es gibt wohl keine eindeutige etymologische Antwort. Zitat von Karl-Heinz Böffgen aus: http://www.ha083.domainkunden.de/upload/aktuelles/1eifel.pdf: "... Etwas wahrscheinlicher erscheint die Herleitung von der Bezeichnung "Eifel" = Wasserland". Dafür spräche die Abwandlung des römischen "aqua" (= Wasser) über apa (Apulien = Wasserland) zum Fränkischen afa und e(i)fa. Im Jahr 804 wird (s. o.) unser Verwaltungsbezirk als "pago aquilinse" (= wasserreicher Gau) benannt. Kaum ein anderes Bergland besitzt so viele Fluss- und Bachläufe wie die Eifel." (Verfasser: Karl-Heinz Böffgen. W.v.Landenberg /Quelle: et blättchen)
Vertiefendes zur Etymologie findet man unter oben angegebener Domain. Ich könnte mir aber auch gut vorstellen, dass in dem Wort "Eifel" das Wort "Eibe" steckt und das Wort "Ville"= Ebene - in Anbetracht der Nähe zu Frankreich.
Ich liebe die Eifel. Viel mehr als meine jetzige Heimat, das Siebengebirge. Vielleicht liegt das daran, dass ich in der Eifelgegend entscheidende Jahre meiner Jugendzeit verbracht habe.
Nach diesem gedanklichen Exkurs mache ich mich wieder auf die "Socken". Appropos "Socken", ich bin bei meinen Jogging-Schuhen geblieben. Kein neuer Schuhwechsel mehr. Kein großes Miauen meiner Füße, das einzige, was nach meiner letzten Etappe miaut hat, waren meine Muskeln. Das war der sogenannte Muskelkater. Ja, schon gut, das war jetzt eher ein Flachwitz, obwohl.... , ich fand ihn gar nicht mal so schlecht.
Etwa zehn Minuten nach dem Aufbruch von meiner "Rentner-Bank", mitten im tiefsten Wald, höre ich plötzlich ein entferntes Murmeln, das jedoch relativ rasch lauter wird. Und bald sehe ich auch den Ursprung dieses Gemurmels. Ein Riesen-Pulk an Menschen kommt mir entgegen. So scheint es wenigstens von weitem. Beim Näherkommen sehe ich, es sind mindestens zwanzig, wenn nicht sogar dreißig ältere Herrschaften, die anscheinend gemeinsam ihrem Hobby, dem Wandern frönen. Und da fällt mir ein, "das sind wahrscheinlich die "rüstigen Rentner", von denen eben auf dem Holzschild an meiner Bank die Rede war - vielleicht sogar auf dem Weg zu ihrer Bank. Ob die wohl alle darauf passen? Ich muss mich zusammenreißen, um mir ein Lachen zu verkneifen. Nach dem Motto, wenn man vom Teufel spricht, oder eigentlich nur daran denkt. Einige Zeit später treffe ich wieder auf den einsamen Wanderer von eben, der auf einer Bank seine Mittagspause macht. Er scheint auch zu pilgern. Ich werde ihn später in der Kirche in Roderath ein drittes Mal treffen.
Nach dieser netten Begegnung führt mich mein Weg weiterhin durch eine abwechslungsreiche Landschaft, in der sich Wiesen- und Waldstücke abwechseln. Ich habe noch ein kleines Intermezzo mit ein paar sehr entspannten Kühen, die extra für ein Porträt-Foto posieren. Ich finde das sehr freundlich. Auch der Zilpzalp gibt von irgendwoher wieder einmal seinen Kommentar ab.
Ich winke den Kühen zum Abschied zu und gehe weiter bergauf durch die Wiesen in Richtung Roderath. Das kleine Dorf liegt oben auf der Spitze des Hügels.
Dort die Kirche zu finden, ist nicht weiter schwer, weil es praktisch nur eine Straße gibt. Die Kirche, eigentlich eine kleine Kapelle, die Antoniuskapelle. (Zitat aus: "Jakobswege", S. 100/ Nähere Angaben zum Buch, s. Titelseite): "Eckquader, Gewände und das Taufbecken der neugotischen Kapelle sind aus Roderather Marmor, einem Kalkstein, der aus Ablagerungen der Korallen und anderer Riffbewohner zur Zeit des Mitteldevons entstand und in einem Steinbruch im Süden des Dorfes gebrochen wurde. Den Altar flankieren die Figuren der Kirchenpatrone Maternus und Antonius. Der hl. Maternus (um 313) ist der erste namentlich bekannte Bischof von Köln."
Ich bleibe eine längere Weile in der kleinen Kapelle, genieße wieder einmal die Stille. Der Wanderer von eben, dem ich schon zwei Mal begegnet bin, ist mittlerweile auch eingetroffen. Er scheint ruheloser als ich, denn er holt sich nur seinen Pilgerstempel, geht direkt weiter. Das mit den Pilgerstempeln habe ich noch gar nicht weiter erwähnt. Man kann sich an bestimmten Orten - oft in den Kirchen selbst - einen Pilgerstempel geben lassen oder seinen sog. Pilgerpass auch selber stempeln. Diesen "Pass" kann man sich im Internet bestellen oder auch in größeren Pfarreien erhalten. Meinen Pilgerpass habe ich in Bonn in dem kleinen Laden besorgt, der zum Bonner Münster gehört. Dieser Pilgerpass bescheinigt, dass du zu den Pilgern gehörst und gewährt dir an vielen Orten eine preiswerte oder sogar kostenlose Unterkunft in sogenannten Pilgerherbergen. So habe ich einmal in einem Pfarrhaus und einmal in einem Hotel übernachtet, dass ein eigenes Pilgerzimmer hatte. Aber dazu später. (http://www.jakobsweg-pilgern.de/pilgerpass/)
Nach dieser kleinen Pause in und an der kleinen Kapelle, führt mich mein Weg weiter Richtung Nettersheim-Frohngau.
Das Landschaftsbild um mich herum ändert sich ständig, und das macht diese Wanderung so schön. Es ist angenehm warm, Wolkenbilder wandern am Himmel entlang, werfen immer wieder sich wandelnde Schatten auf die Erde, und die ganze Zeit weht ein gleichbleibender Wind. Hervorragende Voraussetzungen für einen Fußmarsch wie diesen. Im Vergleich zu den ersten Etappen wird diese immer hügeliger. Man merkt, es geht immer tiefer in die Eifel hinein.
In Frohngau angekommen, unternehme ich einen kleinen Abstecher zu der kleinen Dorfkirche St. Margareta, deren Innenausstattung nicht unbedingt meinen Geschmack trifft, Aber über Geschmack lässt sich nicht streiten. Darum halte ich mich hier auch nicht lange auf. Der, den die Kirche interessiert, der kann gerne obigen Link anklicken.
Von Frohngau geht es weiter Richtung Engelgau. Ich gehe munter vor mich hin, bis ich auf halbem Wege zwischen beiden Dörfern eine einsame Bank im Schatten einer kleinen Baumallee stehen sehe. Dort lasse ich mich nieder, um ein Mittagspäuschen zu halten. Manch einer mag jetzt denken, "Mann, macht die viele Pausen". Stimmt. Aber von hier aus habe ich einen perfekten Blick auf das wunderschöne Landschaftspanorama der Eifel. Meine Gedanken schweifen mit meinem Blick über die Hügel. Mir fällt Goethes "Erinnerung" ein:
"Willst du immer weiter schweifen?
Sieh, das Gute liegt so nah.
Lerne nur das Glück ergreifen,
denn das Glück ist immer da."
Stimmt auch. Man braucht wirklich nicht in fremde Lande zu reisen, um schöne Dinge, Gegenden zu entdecken. Ich denke, uns ist häufig gar nicht mehr bewusst, wie schön wir es auch hier vor unserer eigenen Haustür haben, vielleicht, weil es zu selbstverständlich ist. Es ist so ähnlich wie bei dem Fuchs mit seinen Trauben. Die Schönheit vor unseren Augen sehen wir häufig nicht, wir suchen sie immer in der Ferne. Warum eigentlich?
Mich wundert, wie wenigen Menschen ich auf dieser Strecke begegne, obwohl es Samstag ist. Ich genieße den Ausblick von hier oben. Mache ein paar Fotos. Besonders die Mohnblumen auf den Feldern haben es mir angetan. Ungefähr eine Viertelstunde später setze ich meinen Weg fort, obwohl mir die Trennung von "meiner" Bank ein bisschen schwer fällt. Es ist so schön hier.
Mein Weg führt mich noch eine ganze Weile durch die Wiesen und Felder, vorbei an ein paar Windkrafträdern. Hierbei durchquere ich auch eine hübsche Baumallee, die Assoziationen einer Reise nach Mecklenburg-Vorpommern vor ein paar Jahren in mir wachruft. Dort sieht man diese Baumalleen noch ziemlich häufig.
Bald erreiche ich Engelgau, das ich durchquere, komme an der netten kleinen Dorfkirche St. Luzia vorbei und gelange schließlich in das Genfbachtal.
Das Genfbachtal ist Naturschutzgebiet und zählt zu den schönsten Wiesentälern der Eifel. Durch das Jahr hindurch blühen dort Pflanzen wie z.B. das Wiesenschaumkraut, der Wiesenknöterich, die Kuckuckslichtnelke, die Schwarze Teufelskralle, zahlreiche Orchideenarten, der Waldstorchschnabel, und das sind noch längst nicht alle. Wer mehr darüber wissen möchte, der klicke bitte oben angegebenen Link an. Blumen sind hier momentan kaum welche zu sehen, da die Wiesen anscheinend gerade frisch gemäht wurden. Schade. Trotzdem wandere ich hier durch ein sehr hübsches Tal, an dessen unterem Ende ich schon die Wallfahrtskapelle St. Servatius sehen kann. Diese Kapelle wird auch "Ahekapelle" genannt. Der Name stammt von dem Bach Ahe, der heute aber Genfbach heißt.
Ich betrete den Vorraum der kleinen Kapelle, die aber dort durch ein Gitter versperrt ist. Man kann durch das Gitter in das Innere hineinblicken. Ein romanisches "Kirchen"- Schiff aus dem 12./13. Jahrhundert. Ich mag die Kapelle und halte mich eine längere Weile hier auf. Auch hier bin ich allein. Die beiden Fahrradfahrer, die bis eben auch noch hier waren, sind schon wieder weiter gefahren. Ich schreibe etwas in das ausliegende Buch, stemple mein Pilgerheft und zünde zwei Kerzen an. Mir ist gerade danach. Beim Laufen kommt doch so einiges hoch. Aber das ist gut so.
Nach meinem Aufenthalt in der kleinen Kapelle gehe ich wieder meines Weges. An der nächsten Kreuzung biege ich beinahe falsch ab, weil dort eine Pilgermuschel in die (für mich) falsche Richtung weist. Das wäre ein riesiger Umweg geworden... Gut, dass ich meine Karte dabei habe. Also gehe ich bergan weiter, und biege die nächste Abzweigung links ab. Es geht weiter an einem kleinen Hang durch offene Wiesen, kein Mensch zu sehen. Meine Beine beginnen, ein bisschen lahm zu werden von dem ständigen Auf und Ab. Das macht aber nichts. Hauptsache, meine Fußsohlen miauen nicht. Ich nähere mich dem Blankenheimer Wald.
Ja, ja, dieses Blankenheim hat mich einige Kraft gekostet, denn man sollte als Vorabinformation wissen, dass Blankenheim zwar einen "Bahnhof" hat, aber der ist nicht im Ort! Ich habe mir das vor der Wanderung auf der Karte angesehen und mir gedacht, "Ach ja, ich gehe bis Blankenheim Stadt, dort endet die Etappe und fahre dann mit einem Zubringerbus zum "Bahnhof". Soweit meine "Planung". Denn der Bahnhof ist wirklich "etwas" außerhalb des Ortes. Gesagt getan, ich wandere also durch den Blankenheimer Wald - auch wunderschön - der Weg ist gut beschildert. Mittlerweile ist es schon mittlerer Nachmittag. Der Gang durch den Wald zieht sich. Das kann aber daran liegen, dass ich langsam müde werde. Irgendwann begegne ich zwei Fahrradfahrern mitten im Wald, die offensichtlich eine Panne haben. Ich biete ihnen meine Hilfe an, ohne recht zu wissen, woraus diese bestehen könnte, denn Flickwerkzeug habe ich nicht unbedingt dabei. Aber man lehnt (Gott sei Dank) ab und fragt mich stattdessen, ob ich noch nach Blankenheim möchte. Ich bejahe das. Worauf man mich aber auf den fehlenden Bahnhof im Ort hinweist, was ich sehr freundlich finde. Stattdessen gibt der eine der Fahrradfahrer mir den Tipp: "Wenn Sie die nächste Kreuzung (im Wald)
erreichen, werden Sie ein Schild finden mit der Aufschrift "Blankenheim Wald". Wenn Sie dem folgen, dann kommen Sie zur Bahnhaltestelle von Blankenheim." Ich bedanke mich, aber für mich ist klar, erst muss ich nach Blankenheim "Stadt", sonst ist die Etappe nicht komplett, von dort dann mit dem Bus zum Bahnhof.
Eine Weile später erreiche ich tatsächlich die besagte Abzweigung nach Blankenheim Wald, - von hier aus sind es noch fast 7 km bis zum Bahnhof -, aber ich gehe geradeaus weiter Richtung Stadt. Von hier aus brauche ich noch eine gute Stunde, um an mein Ziel zu gelangen. Der Weg scheint immer länger zu werden, irgendwann führt er mich aus dem Wald hinaus über eine Brücke, die über die B51 führt, und ich endlich das Ortsschild "Blankenheim" erspähe. Doch das ist noch nicht das Ende, oder gar Ziel. Ich bin noch längst nicht da, folge dem Weg einen steileren Abhang durch ein Wäldchen hinunter, quere eine Landstraße, klettere wieder den Berg hinauf, denke die ganze Zeit "hört das denn gar nicht mehr auf?", weil ich langsam aus dem letzten Loch pfeife, und dann stehe ich plötzlich doch vor der Blankenheimer Burg, in der heute eine Jugendherberge untergebracht ist. In der habe ich vor gefühlt 100 Jahren sogar schon einmal übernachtet. Wieder ein geschichtsträchtiger Ort. Von der Burg aus hat man einen schönen Ausblick auf Blankenheim im frühabendlichen Licht.
Es geht mittlerweile schon auf 18.00 zu. Ich klettere die Stufen vom Berg ins Tal hinab und steuere mit gefühlt letzter Kraft auf die Kirche zu. St. Mariä Himmelfahrt, so heißt sie. Ich muss ein paar Stufen hinaufsteigen, um in das Innere zu gelangen und bin sofort begeistert von der Schönheit dieser Kirche. St. Mariä Himmelfahrt ist eine gotische Kirche, die Ende des 15. Jahrhunderts erbaut wurde. Sie zieht mich sofort in ihren Bann. Wer Näheres über Kunst und Architektur dieser Kirche erfahren möchte, der klicke, wie immer, obigen blauen Link an.
Während ich in dieser - wie ich finde - wunderschönen Kirche sitze, hänge ich dieses Mal allerdings sehr pragmatischen Gedanken nach. " Wo ist der Busbahnhof, bzw. die Bushaltestelle", überlege ich, "und wann fährt der nächste Bus zum Bahnhof nach Blankenheim/Wald?" Inmitten dieser Überlegungen bemerke ich, dass ich dieses Mal nicht alleine in der Kirche bin. Was für ein Glück! Die Küsterin scheint ein paar Dinge für den nächsten Gottesdienst vorbereiten zu müssen. Kurz entschlossen hechte ich ihr nach, bevor sie wieder hinter dem Altarraum verschwindet und frage sie. "Oh", meint sie, offenbar irritiert darüber, dass ich annehmen könnte, dass hier überhaupt etwas mit vier Reifen halten könnte, "heute fährt kein Bus mehr, auch kein Taxibus". Das Wort "Busbahnhof" scheint sie noch mehr zu verwirren. Ich überlege: "Freilich, ich könnte einfach ein normales Taxi nehmen, aber dafür bin ich ehrlich gesagt zu geizig. Und jetzt noch zu Fuß zum Bahnhof? Das sind noch mehrere Kilometer. Während dieser schwerwiegenden Überlegungen hat mich die Küsterin die ganze Zeit schweigend gemustert und fragt: "Sie pilgern, oder? Denn dann können Sie auch hier übernachten." Einen kurzen erschreckten Moment denke ich, mit "hier" meint sie die Kirche, aber dieser Irrtum klärt sich auf, als sie dann hinzufügt: " Im Pfarrhaus nehmen wir häufiger Pilger auf. Die Übernachtung kostet nichts". Ich überlege nicht lange und sage zu.
Es dauert noch ein paar Minuten, die ich warten muss, weil sie den Schlüssel für das Pfarrhaus holen muss. Und dann noch einmal ein paar Minuten später stehe ich in einem größeren Raum, in dem wahrscheinlich auch ab und an irgendwelche Veranstaltungen stattfinden. Das schließe ich aus der beträchtlichen Menge an Stühlen, die hier aufgestapelt sind. Außerdem ist dieser Raum eher ein kleiner Saal.
Und neben stehend ist das Klappbett zu sehen, auf dem ich die kommende Nacht verbringen darf. In einer naiven Anwandlung habe ich eigentlich gedacht, es gebe hier auch Decken oder sonstiges Bettzubehör. Gibt´s nicht! In echten Pilgerzimmern eher selten, wie ich jetzt am eigenen Leib erfahren darf. Und ich erinnere mich, dass ich davon auch gelesen habe. Der Pilger nimmt sich seinen Kram eigentlich immer selber mit. Duschen kann man hier auch nicht. Und es gibt nur kaltes Wasser. Ich werde hier praktisch auf die Grundbedürfnisse zurückgeworfen. "Zurückgeworfen" stimmt vielleicht, aber einen Rückschritt bedeutet es nicht. Man braucht ja eigentlich nicht viel. Wenn man ehrlich ist. Vielleicht sollte ich die kommenden Sommerferien dazu nutzen, auch zu Hause wieder einmal überflüssigen Krempel endlich verschwinden zu lassen. Und zwar rigoros. Wenn ich ehrlich bin, ich fühle mich immer glücklicher, wenn ich wieder mal mein Zuhause entrümpelt habe. Irgendwie "entrümpelt" das auch die Seele. Danach fühle ich mich immer "leichter".
Ich habe nicht geplant (schon wieder dieses komische Wort), unterwegs zu übernachten, sondern wollte abends wieder nach Hause fahren. Das Leben ist manchmal anders als man denkt oder hofft. Zuerst leider, später dann oft Gott sei Dank. Denn das hält auf eine merkwürdige Art und Weise auch flexibel.
Ich beschließe, die Überlegung, wie ich die kommende Nacht am besten verbringen soll, erst einmal zu verschieben, lasse meinen Rucksack in meinem Nachtquartier, schnappe mir meinen Geldbeutel und wanke Richtung "City", weil mir mein Magen in den Kniekehlen hängt. Wanken ist hier die richtige Bezeichnung, denn ich bin jetzt richtig müde. Eine Pizza später - es wird schon dunkel - bin ich wieder in meinem "Zimmer" und versuche, es mir so gemütlich wie möglich zu machen. Dafür leere ich meinen Rucksack erst einmal komplett. Nach einer Katzenwäsche - Waschutensilien habe ich natürlich auch nicht dabei - ziehe ich mir über meine Wandersachen auch meine Regenjacke über - ich will ja nicht frieren diese Nacht - , benutze die Kapuze als Kopfkissen-Ersatz, und schlüpfe dann mit meinen Füßen in meinen leeren Rucksack - quasi als Schlafsack-Ersatz - bloß mit dem Unterschied, dass dieser "Schlafsack" mir gerade einmal bis zu den Oberschenkeln reicht. Für den Rest muss ich mir jetzt warme Gedanken machen.
Nach einer ziemlich durchfrorenen Nacht bin ich am nächsten Morgen schon früh auf den Beinen.
Und da es sich herausgestellt hat, dass heute auch kein Taxibus Richtung Bahnhof fährt, - es ist Sonntag - , habe ich beschlossen, dann eben zu diesem ominösen Bahnhof zu wandern.
In der ersten Stunde wandere ich die letzte Teilstrecke des Weges von gestern abend zurück, jetzt stetig bergauf bis zu der nun schon bekannten Kreuzung im Wald. Dort biege ich ab Richtung Blankenheim/Wald.
Mir steckt der Marsch von gestern und der Schlafmangel der letzten Nacht ziemlich in den Knochen. Aus diesem Grunde schreite ich nicht gerade in forschem Tempo voran. Mein treuer Begleiter, der Zilpzalp zwitschert mir wieder die Ohren voll, macht mich ein bisschen munterer. Irgendwann erreiche ich freieres Gelände und lande im Haubachtal.
Diesem schönen Tal hat der Haubach seinen Namen gegeben. Der hat eine breite Talaue gebildet, mit Feucht- und Nassgrünlandschaften. Das Haubachtal ist Naturschutzgebiet. Wer sich genauer darüber informieren will, sieht bitte unter obigem Link nach.
Als ich durch dieses schöne Tal wandere, ist es schon sehr heiß - es geht auf Mittag zu. Aber ich sehe lilafarbene Teppiche von Storchschnabel, der gerade in voller Blüte steht. Außerdem das Gefleckte Knabenkraut (das auch auf einem der Fotos unten zu entdecken ist), das zur Familie der Orchideengewächse gehört. Dazu die leuchtend gelben Blüten des Ginster. All das entschädigt mich für diese quälende Hitze, die schon wieder auf mich niederbrennt.
Obwohl die Sonne unbarmherzig auf mich niederknallt, bin ich jetzt eigentlich froh, dass ich keinen Bus zum Bahnhof gefunden habe, denn dann hätte ich dieses hübsche Tal mit seiner Blumenvielfalt nicht entdeckt. Aber ich habe mir dafür auch einen guten Monat ausgesucht. Juni passt perfekt.
Plötzlich kann ich von weitem einen Bahnübergang erkennen. Mitten in dieser schönen und ziemlich einsamen Landschaft. Mich mutet das ein bisschen skurril an. Andererseits, ein Bahnhof mitten in einsamer Gegend ist mindestens genauso skurril, denn.... das ist noch nicht der Bahnhof.... obwohl mich das auch nicht gewundert hätte.
Direkt hinter der Bahnhofsschranke lenkt mich die Jakobsmuschel nach links. Ich biege also links ab und schleiche bestimmt noch einmal mindestens eine halbe Stunde immer parallel zu den Gleisen durch die sengende Hitze. Die macht mir wirklich zu schaffen. Mittlerweile habe ich mich auch wieder mit meinem unbeschreiblichen Kopfschmuck dekoriert. Aber der ist hier wirklich unverzichtbar.
Als ich mich wieder einmal frage, "hört denn dieser Weg gar nicht mehr auf?", kommt endlich der lang ersehnte "Bahnhof" in Sicht. Ich erreiche fast zeitgleich mit meinem Zug das Gleis. Habe gerade noch Zeit, mich von meinem treuen Begleiter zu verabschieden. Der zwitschert mir noch etwas ins Ohr und fliegt von dannen. Ich besitze noch kein Ticket. Eine sehr sehr freundliche Studentin nimmt mich mit auf ihr Fahrticket, denn an Wochenenden kann sie mit ihrem Studententarif wohl eine Person unentgeltlich mitnehmen. Ich bedanke mich. Prima. Auf diese Weise brauche ich für meine Fahrt jetzt nichts zu bezahlen. Ich sinke erleichtert auf meinen Sitzplatz. Fahre bis Euskirchen, steige dort um in den Zug nach Bad Münstereifel, der schon abfahrtbereit da steht. Fahre und lasse wieder einmal mein Wochenende, das unerwarteterweise ein langes Wanderwochenende geworden ist, Revue passieren.
1. Ich sollte mich auf überraschende Wendungen einstellen, im Klartext: Bleib flexibel, Sigrid. Darum:
2. Immer eine Art "Notfallpack" zum Übernachten (leichter Schlafsack und das, was man sonst so braucht...)
3. Diese Wanderung war eine der schöneren. Natur, Kultur: Wunderbar. Eindeutig.
4. Dieses Mal keine "Fleischbällchen". Die Joggingschuhe waren wandertauglich.
5. Wandern tut mir gut, zweifellos, in jeder Hinsicht, deshalb:
6. ... mache ich weiter. Vielleicht nächstes Wochenende schon. Dann geht´s von Blankenheim über Dahlem nach Kronenburg. Immer tiefer in die Eifel hinein. Bis dahin.
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