24.6.2017: Etappe 5.2.: Von Dahlem nach Kronenburg/Eifel, ca. 12 km (mit Rückweg ca.24 km):
Der Wecker klingelt gegen 5.00. Bis ich mich aus den Federn erhebe, dauert es noch ein Viertelstündchen. Danach werfe ich mich wieder einmal in meine Wanderklamotten, bzw., wie es in "Neudeutsch" so schön heißt, in meine "Outdoorbekleidung". Als ob das deutsche Wort "Wandern" oder "Wanderbekleidung" irgendwie verpönt wäre. Aber das geschieht ja heutzutage mit vielen deutschen Wörtern, die nach und nach "eingeenglischt" werden. Mir gefällt das gar nicht.
Nachdem ich mir ein bisschen "Futter" eingepackt habe, schnappe ich mir meine "Outdoorausrüstung", übersetzt auch "Rucksack" genannt, der wie immer in den letzten Wochen, soweit schon gepackt ist, und fahre los.
Genau dieselbe Strecke, wie letztes Wochenende, bloß, dass meine Überlandfahrt, nachdem ich die A1 verlassen habe, jetzt ein wenig länger dauert. Direkt an der Bahnhaltestelle "Dahlem" befindet sich ein kleiner Parkplatz, auf dem ich mein Auto stehen lasse, das habe ich bei meiner letzten Tour schon eruiert.
Ich überprüfe an die -geschätzt- 20 mal - (der eine oder andere wird diesen "Kontrollbedarf" auch kennen), dass mein Auto auch wirklich abgeschlossen ist. nachdem ich es dann doch erfolgreich geschafft habe, mich von meinem Vehikel zu trennen, laufe ich die ersten beiden Kilometer erst einmal denselben Weg zurück, den ich vom letzten Wochenende noch kenne, bloß, dass es da die letzten Kilometer waren. Jetzt am frühen Morgen präsentiert sich der Himmel wolkenverhangen, also wunderbar zum Laufen. Mein kleiner Begleiter hat sich auch wieder eingefunden und begrüßt mich lautstark. Der Tag verspricht schön zu werden.
Nach ca. zwei Kilometern erreiche ich die Abzweigung Richtung Kronenburg und ab hier ist der Weg Neuland für mich. Ich gehe erst einmal einige Zeit durch den Wald, bevor ich offenes Wiesengebiet erreiche. Die Wiesen stehen hier noch hoch, sind nicht gemäht. Ich finde, das ist ein Foto wert, da ich diese Art Wiesen sehr mag.
Kaum habe ich meinen Fotoapparat gezückt, fährt auch wie auf Bestellung, wie aus dem Nichts, plötzlich ein Zug vorbei. Einer der Züge, auf die ich in letzter wie auch in kommender Zeit immer wieder angewiesen war und sein werde. Leider verläuft die Zugstrecke zu einem großen Teil anders als der Jakobsweg. Aber ich werde das "Kind" schon schaukeln, irgendwie...
Nach einer kleinen Strecke parallel zu den Gleisen, überquere ich diese, werde von einem wild gewordenen Hund angepöbelt, der mir entgegenläuft - vielleicht will er mir auf diese Weise auch nur seine Sympathie bekunden, bei Hunden weiß man das nie so genau, ich jedenfalls nicht. Kein Herrchen oder Frauchen in Sicht, was mich in solchen Fällen auch immer restlos "begeistert". Ich gehe weiter, meine Hände tief in meinen Hosentaschen vergraben, versuche, den Hund weitestgehend einfach zu ignorieren, was auch glückt. Der Hund bleibt stehen, guckt mir einigermaßen verwirrt nach, mein kleiner Begleiter singt applaudierende Melodien, mein Weg steigt an. Das Wetter ist wunderbar, fühlt sich gut an, ein kleines bisschen wie im Herbst, ich liebe das. Jedenfalls ist es so kühl, dass ich meine Jacke anbehalte.
Auf den nächsten Kilometern führt mich mein Weg hauptsächlich über offene Höhen, so dass ich meistens einen schönen Weitblick in die Umgebung habe.
Leider sind die Kühe nicht so porträtfreudig wie auf meinem Weg nach Bad Münstereifel. Dafür entschädigt mich jedoch der weite schöne Blick in die Eifel. Ich habe ein bisschen Heimweh nach meiner alten Heimat. Obwohl ich nie richtig in der Eifel gewohnt habe, aber nahe dran. Vielleicht ziehe ich auf meine "alten Tage" wieder zurück auf die - wie man hierzulande sagt - "richtige" Rheinseite.
Das sind meine Überlegungen, als ich die Kuhweide "verlasse", an die sich auch ein einsam gelegenes Gehöft anschließt. Kurze Zeit später überquere ich eine Landstraße, um dann weiter durch die Wiesen meinen Weg fortzusetzen. Aus den bewaldeten Hügeln zu meiner Linken streckt sich ein Windpark dem Himmel entgegen. Zu meiner Rechten blüht Klatschmohn, ein leichter Wind scheint die Blumen zu streicheln, ein wunderschöner Moment. Ein Moment, in dem ich so etwas wie Glück empfinde. Einen kurzen Moment lang.
Nachdem ich einige Zeit durch die Wiesen gelaufen bin, tauche ich in ein kleines Waldstück ein, aber nur kurz, denn dann erstreckt sich wieder weites hügeliges Land vor mir und ... eine Bank mit wundervoller Aussicht. Ein perfekter Platz für ein kleines Frühstück ... oder ist schon bald Brunchzeit?
Ich mache es mir auf dieser Bank gemütlich und da ich gerade sehr gut "drauf" bin, mache ich ein paar "Selfies", etwas, was ich normalerweise fast nie mache. Denn ich lasse mich nicht gerne fotografieren. Wenn ich ehrlich bin, ist das für mich der reinste Albtraum.
Aber ich werde gerade ein bisschen übermütig und wage es ...
Mitten in meine "Fotosession" stupst mich etwas am Bein an. Ich gucke hinunter, blicke in zwei treubraune Hundeaugen, die allerdings etwas fragend blicken. Kein Wunder. Der zweite Hund, den ich heute zu verwirren scheine. "Wenigstens bei den Hunden schaffe ich das noch", denke ich mir gerade innerlich seufzend, tu mir selbst ein bisschen leid, - das ist aber auch ein blödes Thema - als plötzlich auch das zum Hund gehörende Herrchen auftaucht. Dieses Herrchen scheint sich zu amüsieren. Möglicherweise über mich. Na, kein Wunder. Ertappt lege ich mein Handy zur Seite, nehme stattdessen möglichst unauffällig mein Buch zur Hand und versuche, intelligent drein zu schauen.
Wahrscheinlich nützt das aber auch nichts mehr, denn er hat bestimmt die gesamte Selfiefratzenpalette mit bekommen. Schööön. Ich beschließe so zu tun, als sei das normal bei mir. Ob das aber jetzt die richtige Reaktion ist?
Er spricht mich an, sieht mir trotz der Fratzen anscheinend sofort an, dass ich durch die Weltgeschichte - na ja, zumindest durch die deutsche - pilgere. Fragt mich aus. Und erzählt mir zu meiner "Erbauung" von einem Pilger, den er vor einiger Zeit getroffen hat, und der wohl kurz vorher überfallen und ausgeraubt worden war. Dieser Mann versteht es, einem "Mut" zu machen. Allerdings war dieser Überfall irgendwo in Norddeutschland. Und der besagte Pilger hat sich davon offenbar auch nicht entmutigen lassen.
Nachdem mir "Herrchen" auf eine sehr erbauliche Art und Weise so viel Ermutigung hat zukommen lassen, verabschiedet er sich, wünscht mir einen guten Weg und geht den seinen weiter.
Ich atme auf, denke nur, "Gott sei Dank kennt der mich nicht".
Mein kleiner Begleiter pfeift, was das Zeug hält. Ob das anerkennende Pfiffe sind?
Nach diesem kleinen Intermezzo raffe ich mein Zeug zusammen und mache mich wieder auf den Weg. Dieser führt mich erst einmal ständig bergab. Natürlich lasse ich mich dadurch nicht täuschen, habe in Erinnerung, dass nach jedem Bergab auch wieder ein Bergauf kommt. Das Wandern weist offensichtliche Parallelen zum Leben auf.
Beziehe ich es jetzt einmal nur auf das Wandern, die Landschaft bleibt so, wie auf den Fotos zu sehen, hügelig. Irgendwann kreuzt mein Weg eine kleine Landstraße, die ich erst einmal eine Zeit lang bis zum nächsten Ort, Baasem, entlanggehe. Ich überquere auf einer Brücke eine stark befahrene Bundesstraße, von der ich vermute, dass es die B51 ist, danach geht es wieder langsam bergauf nach Baasem.
Dort steuere ich zielstrebig auf die Kirche St. Mariä Geburt zu, deren ... "zweischiffiger Kirchenraum ... als einer der schönsten der Spätgotik der Eifel gilt. Er erhielt seine Gestalt, als man um 1500 die Südwand der romanischen Vorgängerkirche niederlegte, durch Pfeiler ersetzte und ein gleich großes zweites Kirchenschiff anfügte. Aus jedem der Pfeiler entspringen 16 Rippen. Die Kreuzungspunkte des Netz-und Sterngewölbes bilden figürliche Schlusssteine ..." [Aus: "Jakobswege", S. 112 /Nähere Angaben zum Buch s. meine Profilseite].
Mir gefällt die Kirche. Ich halte mich ziemlich lange darin auf. Vor allem das Netzgewölbe hat es mir sehr angetan. Das erklärt auch meine Fotoauswahl (s.o.).
Außerdem passend das Fenster, das, wenn man in die Kirche eintritt, sofort auffällt. Es zeigt Schuhe, Pilgerstab und -tasche. Das sogenannte Abraham-Fenster (s.o.) wurde 1984/86 geschaffen von Hubert Schaffmeister.
[ Auch nachzulesen in "Jakobswege", S. 112/nähere Angaben zum Buch auf meiner Profilseite.]
Eine sehr schöne Kirche. Und dieses Deckengewölbe...
(Man kann auch unter obigem Link noch mehr darüber nachlesen.)
Und ... ich bin wieder ganz allein in der Kirche.
Irgendwann wird es Zeit. Ich gehe weiter.
Da Baasem an einem Hang liegt, muss ich erst einmal weiter bergauf steigen. Mittlerweile ist Mittagszeit, und es ist trotz der vielen Wolken sehr sehr warm geworden. Allerdings macht es der Wind einigermaßen erträglich. Als ich fast den "Gipfel des Berges" erreicht habe, schaue ich zurück. Sehe, dass dieser kleine Ort, von dem ich gerade komme, fast in der Talmulde zu verschwinden scheint.
Bald habe ich Kronenburg erreicht. Dieser Ort liegt auf einem ..."Bergvorsprung über der Kyll auf 660 m Höhe. Dieser exponierten strategischen Lage verdankt er seine Entstehung..."
["Jakobswege", S. 112, /Angaben zum Buch auf meiner Profilseite.]
Ein sehr hübscher Ort, der auch auf einen interessanten geschichtlichen Hintergrund zurückblickt. Wer sich näher interessiert, kann wie immer in solchen Fällen, obigen blauen Link anklicken. Was mir an der Geschichte Kronenburgs imponiert hat, war, dass es wohl von 1555 bis 1715 unter spanische Herrschaft fiel und in diesem Zeitraum wohl wie eine spanische Insel mitten in der Eifel lag. Aus diesem Grund wird es auch heute oft noch als "Spanisches Ländchen" bezeichnet.
Als ich mich Kronenburg nähere, sehe ich zuerst einmal ein Stadttor. Der ganze Ort schmiegt sich an eine ehemalige Burg, jetzt Burgruine, und da ein Felsvorsprung zwangsläufig meist nicht so viel Platz anbietet, macht der Ort einen sehr engen, aber gemütlichen Eindruck. Als ich durch das Stadttor trete, habe ich direkt den Eindruck, in eine andere Welt zu treten. Es gibt nur kleine, enge Gassen aus Pflasterstein, die Häuschen scheinen sich ihre Plätze hart erkämpft zu haben. Außerdem kaum ein Mensch in Sicht. Es hat fast etwas Gespenstisches. Und aus der Mitte des kleinen Ortes ragt die Burgruine auf einem Hügel hervor.
Ich entdecke mitten im Ort zwischen den Häusern den ziemlich unauffälligen Treppenaufgang zur Burgruine. Man geht praktisch zwischen und hinter den Häusern zur Burg hinauf. Auf dem letzten Bild der obigen Galerie kann man es auch vielleicht erahnen.
"Von der Burg aus dem 15. und 16. Jahrhundert sind nur noch die Ruinen des Bergfrieds und zweier Flankentürme erhalten. Um die 1277 erstmals genannte Burg entstand eine Siedlung, die schon 1350 als Stadt bezeichnet wurde..." [Aus: "Jakobswege", S.114/weitere Angaben zum Buch auf meiner Profilseite.]
Von oben habe ich einen tollen Ausblick über das Kylltal in die Eifel. Die Wolken am Himmel vervollkommnen das malerische Bild. Nachdem ich ein bisschen zwischen den Ruinen herumspaziert bin und den Ausblick genossen habe, klettere ich die Treppe wieder ins Dorf hinunter. Bevor ich jedoch nach Dahlem zurück wandere, möchte ich noch gerne die Kirche sehen.
Die Kirche St Johannes schmiegt sich nahtlos in die Häuserreihe hinein. Viele andere Möglichkeiten, ein bisschen exponierter zu stehen, hat sie aufgrund des sparsamen Platzes auch nicht.
Diese Kirche zählt zu den sogenannten Einstützenkirchen, das heißt, das Dachgewölbe wird von einem einzigen Pfeiler getragen. Dieser achteckige Pfeiler "fächert sich in 12 Rippen auf, die für die Apostel stehen..." ["Jakobswege", S. 114, weitere Angaben zum Buch auf meiner Profilseite.] Und die Zahl Acht symbolisiert die Unendlichkeit. Soweit ein bisschen Hintergrundinformation. Wer Näheres wissen will, der kann obigen Link anklicken, den ich, wie fast immer in solchen Fällen, auch hier eingerichtet habe.
Trotz dieser interessanten Konstruktion hat mir die Kirche in Baasem viel viel besser gefallen. Aber das ist wie immer sehr subjektv, für mich jedoch ein Grund, dass ich mich in dieser Kirche jetzt nicht so lange aufhalte.
Ja, dieses Mal werde ich den Weg zurück gehen und nicht fahren. Fahren wäre auch gar nicht möglich, denn es gibt hier keine Bahnhaltestelle. Busse fahren an Wochenenden auch nicht unbedingt von hier. Und ein Taxi ist mir an dieser Stelle zu teuer. Es ist früher Nachmittag, die Tour war etwas kürzer als die bisherigen, das Wetter ist toll, ich habe keine schmerzenden "Fleischbällchen" zu beklagen, und der Weg hat mir richtig gut gefallen. Also latsche ich den Weg wieder zurück.
Leider ist es mittlerweile deutlich heißer geworden. Aber durch die Wolken und den Wind sehr gut auszuhalten. Außerdem bewirken die anfeuernden "Pfiffe" meines treuen Begleiters ein Übriges.
Als ich dann die mir schon hinreichend bekannte Bahnhaltestelle in Dahlem erreiche, ist es späterer Nachmittag. Ein Zug fährt gerade ein. Zwei Radfahrer steigen aus, die wohl noch ein "Ründchen" drehen wollen. Der eine Radfahrer kommt mir wieder vage bekannt vor. Ist es derselbe, wie auf der Etappe von Buschhoven nach Rheinbach? Er schiebt sein Rad, geht an mir vorbei, bleibt stehen, guckt zurück zu mir, als ob auch er überlegte ...
"Das kann jetzt nicht sein", denke ich. "Zuviel Zufall. Oder doch? Habe ich Halluzinationen?"....
In meinem Kopf wirbelt es, Traurigkeit holt mich ein. Erinnerungen an eine unbekannte Konstante. Aber wie kann man sich an eine unbekannte Konstante so deutlich erinnern? Vielleicht, weil sie doch nicht so unbekannt ist? Der Radfahrer dreht sich schließlich um, setzt sich auf sein Rad, fährt seines Weges. Es ist fast wie eine Metapher. Ich verstehe hier einiges nicht. Seit längerem nicht mehr. Ich steuere auf mein Auto zu, ziemlich verwirrt. Wahrscheinlich werde ich auf meine "alten" Tage langsam verrückt.
Auf der Rückfahrt nach Hause grüble ich.
Aber ich lasse auch wieder einmal den Tag Revue passieren:
- Das Wetter war perfekt für diese Wanderung.
- Ich scheine mittlerweile ein bisschen Training zu bekommen.
- Eine Wanderung ist keine Flucht vor diversen Problemen. Eine andere Form der Auseinandersetzung damit. Das vielleicht.
- Ich freue mich auf die nächste Etappe von Kronenburg nach Prüm - wahrscheinlich nächstes Wochenende.
- Warum kann man sich an eine unbekannte Konstante so überdeutlich erinnern?
Ich überlege auch, wie ich die Etappe von Kronenburg nach Prüm planen soll. Denn da muss ich planen. An beiden Orten gibt es keine Bahnverbindung. Ich werde in Prüm übernachten müssen.
Bis vielleicht zum nächsten Wochenende (1./2.7.) irgendwo zwischen Kronenburg und Prüm. Ich freue mich.
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