8.8.2017. Die zwölfte Etappe: Von Bollendorf (an der luxemburgischen Grenze) über Echternach nach Minden, ca. 11 km
Am nächsten Morgen weckt mich ein gleichmäßiges Rauschen. Es regnet in Strömen, und ein paar triefnasse junge Rauchschwalben (vermute ich) gucken etwas neidisch zu mir ins trockene Zimmer hinein. "Das kann ja heiter werden", denke ich, stelle dann aber fest, dass man es mir auch nie recht machen kann. Gestern zu heiß, heute zu nass... Na ja, vielleicht kommt die Abkühlung jetzt genau zum richtigen Zeitpunkt. Mit diesen motivierenden Gedanken ziehe ich mich schnell an und packe meine Siebensachen in den Rucksack, stülpe diesem noch schnell seine höchstpersönliche "Regenjacke" über. Anschließend stärke ich mich zur Unterstützung meiner Selbstmotivation mit einem ausgiebigen Frühstück, um mich dann nach draußen in die Regenfluten zu stürzen. Und das ist nicht übertrieben. Da es jedoch schon, seitdem ich aufgestanden bin, mit gleichbleibender Vehemenz gießt, ist nicht absehbar, ob der Regen heute noch einmal schwächer wird. Deshalb beschließe ich, nicht abzuwarten, sondern loszugehen. Meine ersten Schritte führen mich zur Kirche, die leider verschlossen ist. Wieder einmal. Wie zur Bestätigung zeigt der Regen jetzt auch noch einmal sein bestes Können... und zu allem Überfluss bemerke ich, dass meine Regenjacke nicht mehr ganz (wasser)dicht ist. Da haben wir ja etwas gemeinsam. Ein sehr gelungener (?) Morgen.
"Na ja, notfalls schwimme ich eben", überlege ich und mache mich tropfend auf den Weg, "viel nasser kann ich sowieso fast nicht werden", überlege kurz, ob ich mich nicht der Einfachheit halber in die Fluten der Sauer stürzen soll, die fließt direkt Richtung Echternach. Dann wäre ich schnell dort, entscheide mich aber dann doch dagegen, und laufe stattdessen am Ufer dieses kleinen Flusses entlang. Als sich dann nach einiger Zeit die Regentropfen ihren Weg über meinen Rücken hinunter bahnen, denke ich, "eigentlich ist´s egal, ob mit oder ohne Regenjacke, der Effekt ist derselbe" und entscheide mich für die luftigere Variante, denn nasser als nass geht sowieso nicht. Und kalt ist es trotz des Regens ebenfalls nicht. Meine Befürchtung, ich könnte irgendwelche Fahrradfahrer oder Wanderer in meinem Aufzug möglicherweise verschrecken, verdränge ich kurzerhand.
Und so kommt es, dass ich tropfnass an der Sauer entlangwandle, bis ich bei Weilerbach an eine Brücke gelange, über die ich den Fluss überqueren muss... Hier könnte ich noch einen Abstecher machen zum Schloss Weilerbach, aber angesichts der nicht zu bremsenden Dusche von oben, verspüre ich dazu gar keine Lust. Also betrete ich die Brücke, verweile dort ein wenig, um ein bisschen abzutropfen, und überquere sie schließlich. Nun befinde ich mich auf luxemburgischen Boden.
Als ich auf der luxemburgischen Seite am Ufer der Sauer entlang Richtung Echternach entlangstapfe, lässt der Regen langsam nach. Der Weg führt mich immer direkt am Fluss entlang und bietet schöne Ausblicke. In diesem Zusammenhang ein paar kurze Hintergrundinformationen zur Sauer aus : "Jakobswege, Wege der Jakobspilger im Rheinland", Band 2, S.168: " Die Sauer entspringt in Belgien in den Ardennen und ist mit 173 km der längste Fluss Luxemburgs. Seit dem Wiener Kongress 1815 bildet sie mit der Our, die oberhalb von Wallendorf in die Sauer mündet, die Staatsgrenze zwischen Luxemburg und Deutschland. Von Wallendorf bis Echternach durchbricht die Sauer den Bergstock der südöstlichen Luxemburger Hochfläche und trennt das Ferschweiler Plateau von der Echternacher Schweiz..."
Ungefähr eine halbe bis Dreiviertelstunde später erreiche ich Echternach.
Echternach ist die älteste Stadt Luxemburgs. Bekannt ist sie vielen durch ihre Springprozession, die jedes Jahr am Pfingstdienstag stattfindet. 2010 wurde sie in die Liste der ideellen bzw. immateriellen Kulturgüter der UNESCO aufgenommen. Wer mehr über die Springprozession erfahren möchte, klicke bitte den entsprechenden Link an.
Meine ersten Schritte führen mich zu der St. Willibrordbasilika. Inzwischen hat es Gott sei Dank aufgehört zu regnen, die Sonne lässt sich ab und an mal blicken, und aus meiner Bekleidung steigen kleine Dampfwölkchen .... nein, das letzte war jetzt frei erfunden. Ich wandle nicht in meinen eigenen "Nebelschwaden", obwohl ich mich ein bisschen so fühle, denn durch die Wärme und den vorhergegangenen Regen fühlt sich die Luft feucht-klebrig an, leicht tropisch. Und ich mich auch.
Auch darum bin ich froh, als ich endlich die Basilika betrete. Denn hier ist es herrlich kühl. Und ich mag, wie ich es schon öfter erwähnte, den romanischen Stil, obwohl er hier nicht mehr originalromanisch ist, wie man unter obigem Link auch nachlesen kann. Je weniger "Geschnörkel" und Verzierungen, umso schöner, finde ich zumindest. Ich bin für gerade und echt. In der Kunst und im wirklichen Leben.
Was ich an dieser Art Basilika auch besonders gerne mag, sind ihre Krypten. Ich glaube, das liegt daran, dass diese meistens - zumindest, die, die ich bisher gesehen habe, auch einfach und ohne große Verschnörkelungen auskommen. Es geht hier nur um das Wesentliche. Vielleicht eine Wunschallegorie für das wirkliche(?) Leben. Hier sollte es auch nur um das Wesentliche gehen. Eigentlich. Der ganze Schnickschnack, den wir oft um unser Leben herum"basteln", ist meistens Fassade, soll ablenken, nicht nur andere, nein, auch uns von uns selbst. Denke ich. Jetzt sitze ich hier in dieser Kirche, besonders lange auch in der Krypta und gerate ins Grübeln...
Dieser Christus-Torso, über den ich in meiner Einleitung zu dieser Etappe etwas geschrieben habe, und der oben in meiner Fotoreihe auch wieder auftaucht, der hat es mir besonders angetan. Die Art, wie er beleuchtet wird, und wie daraus praktisch eine zweite Figur entsteht, finde ich faszinierend. Ich stehe lange davor und kann mich nur schlecht davon losreißen.
Bevor ich - nur sehr widerstrebend - diese schöne Kirche wieder verlasse, zünde ich, wie immer eine kleine Kerze an - für die, die mir in meinem Leben besonders lieb sind...
.... dann verlasse ich diesen schönen Ort, um mir noch eine zweite Kirche anzusehen, die St.Peter und Paul Kirche....
Diese liegt auf einem kleinen Hügel des Städtchens. Früher befand sich dort einmal ein kleines römisches Kastell, und der erste Siedlungskern von Echternach mit einer römischen Befestigungsmauer (275 n. Chr.) Diese Information habe ich wieder einmal aus: "Jakobswege. Wege der Jakobspilger im Rheinland", Bd. 2, S.169. Sonst findet man leider nicht sehr ausführliche Informationen über diese hübsche Kirche. Interessant, wie man alte Gemäuerreste mit den neueren miteinander verwoben hat. Dennoch hat die Kirche, vielleicht wegen der farbigen Ornamentik einen irgendwie auch folkloristischen Eindruck auf mich gemacht. Aber das ist jetzt sehr subjektiv.
Nach dem Besuch dieser heiligen Stätte zieht es mich noch einmal zurück in das Zentrum des Städtchen, weil ich Lust habe, mir das Treiben im Ort von einem gemütlichen Caféplatz aus anzuschauen. Gesagt, getan.
Irgendwann später wird es dann doch langsam Zeit, sich wieder auf den Weg zu machen. Meine heutige Etappe ist zwar nicht so sehr lang, aber wer weiß, je nachdem "laufen" vielleicht meine Füße wieder "aus dem Ruder", oder aber ich verlaufe mich.... darum habe ich immer gerne etwas Zeitpuffer.
Und so verlasse ich Echternach, überquere über einer Brücke die Sauer und befinde mich ganz schnell wieder in Deutschland, in Echternacherbrück. Hier biege ich kurz hinter der Brücke nach rechts ab und spaziere noch ein Stück parallel zur Sauer, bis ich an eine Hauptverkehrsstraße stoße, die ich laut Wanderkarte überqueren soll, um dann auf der gegenüberliegenden Seite irgendwo am Hang entlang Richtung Minden zu laufen. Erst einmal scheint das auch zu funktionieren, es geht erst einmal wieder bergauf, bloß der Weg, der mich dann quer durch Weinberge in die besagte Richtung führen soll, der scheint wie vom Erdboden verschluckt zu sein. Ich bemerke, wie meine Stimmung kippt. Zu allem Überfluss beginnt es jetzt auch wieder zu regnen. Und das ist nun der Zeitpunkt, an dem ich für den Rest des Tages mit mir und dem Rest der Welt zu hadern beginne. Ich habe keine Lust mehr, nach dem Weg zu suchen. Keine Lust mehr, mich mit diesem Weg auseinanderzusetzen. Mein Kämpferwille ist wie der Weg, vom Erdboden verschluckt. Kurzfristig verloren gegangen. Außerdem machen sich wieder einmal meine Füße unangenehm bemerkbar. Bevor ich jedoch in Selbstmitleid versinke, beschließe ich, an die Straße zurückzukehren und weiter dort entlangzugehen. Das ist zwar nicht sehr prickelnd, denn sie ist recht stark befahren, aber sie wird mich auf jeden Fall zu meinem heutigen Ziel führen.
Und so ist es dann auch. Eine knappe Stunde später erreiche ich endlich mein Ziel. Mittlerweile hat es auch wieder aufgehört zu regnen. Nur in meinem Kopf regnet es seitdem immer weiter. Eigentlich nur ein kleiner Auslöser, und ganz bestimmt nicht der Grund.
Als ich in Minden "einlaufe", besuche ich erst einmal die kleine Kapelle, die direkt gegenüber meiner heutigen Unterkunft steht. Wie auf dem Foto zu sehen ist, hat der Himmel zum frühen Abend hin auch wieder komplett aufgeklart, im Gegensatz zu meiner Stimmung.
In dem kleinen Gasthaus verziehe ich mich dann auch direkt in mein Zimmer. Um dorthin zu gelangen, muss ich fast durch die Küche laufen. Na, zumindest knapp daran vorbei... Den Rest des Abends bleibe ich in meinem Zimmer, verzichte auf das Abendessen, esse stattdessen das auf, was mein Rucksack noch hergibt: Ein paar Salzkekse, einen Apfel und Wasser. Sehr spartanisch, aber mir ist nicht nach Gesellschaft. Ich überlege, ob ich nicht abbrechen soll. Ich will gerade überhaupt nichts mehr. Mit diesen Gedanken im Kopf schlafe ich irgendwann ein.
Kleiner Tipp: Das Gasthaus, in dem ich heute übernachte, ist das Gasthaus Ferring. Es befindet sich schräg gegenüber der Kirche. Die Wirtsleute dort sind sehr echt und herzlich. Ich habe mich dort sehr wohl gefühlt. Darüber mehr in meinem nächsten Kapitel.....
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