10.08.2018. Die 14. Etappe: Von Welschbillig (Kordel) nach Trier, ca. 21 km
Am nächsten Morgen bin ich schon zeitig wach und kann nach einem guten Frühstück dementsprechend früh aufbrechen. Das ist auch gut so, denn ich muss jetzt erst einmal wieder den Berg hinaufsteigen, um meinen Weg wiederzufinden, ( passt gerade, wie die Faust auf´s Auge - was für eine Allegorie!), denn Kordel liegt im Tal. Würde ich jetzt wieder nach Welschbillig zurückgehen, wäre das ein ziemlicher Umweg. Es gibt eine kleine Straße, die mich nach Kimmlingen führen wird, einen Nachbarort von Welschbillig. Das ist von Kordel aus ein bisschen näher. Ich freue mich gerade nicht so sehr auf diese Tour, denn heute regnet es wieder in Strömen und bekannterweise ist meine Jacke nicht mehr regendicht. Schön.... Aber zumindest ist es wenigstens nicht kalt. Also auf geht´s in die Fluten.... Übrigens wird es heute nicht so viele Fotos geben, da ich meinen Fotoapparat regendicht in meinem Rucksack verpackt habe.
Der Weg bzw. die Straße von Kordel nach Kimmlingen hinauf ist ziemlich steil und führt meistens durch den Wald. Aber ich bin heute gut in Form, was unter anderem auch daran liegen mag, dass es nicht heiß ist. Bei heißem Wetter lässt mich meine Kondition viel schneller im Stich. Nach nicht ganz einer Stunde erreiche ich das kleine Dörfchen, mache in dessen kleiner Kirche, der Marienkapelle, eine kurze Regenpause. Danach gehts weiter durch den Ort, an dessen Ende ich links abbiege. Hier ist die Stelle, an der ich wieder auf den Jakobsweg treffe.
Natürlich geht es jetzt weiter bergauf auf einem Fahrweg teilweise durch den Wald und an einzelnen Häusern vorbei. Der Weg schlängelt sich in Serpentinen den Berg hinauf. Ich lasse alle Abzweigungen oder Kreuzungen "links liegen", bis ich an einen Stein gelange, auf dem die Muschel mir den Weg nach rechts weiter weist. Inzwischen habe ich übrigens meine Abendessengesellschaft von gestern abend wieder getroffen. Irgendwo auf den Serpentinen habe ich ihn eingeholt. Bis Butzweiler, der nächsten kleinen Zwischenstation gehen wir zusammen weiter, was für mich ein Glück ist, denn die Wegmarkierung ist hier oben nicht immer so eindeutig. Und er hat mehr Kartenmaterial dabei als ich dabei. Ich glaube, alleine hätte ich mich in dieser Gegend bestimmt einmal verlaufen.
Nach der Durchquerung einiger kleiner Waldstücke gelangen wir schließlich, ohne uns verlaufen zu haben, nach Butzweiler. Es regnet die ganze Zeit unverdrossen weiter.
Laut meinem Wanderführer "Jakobswege, Wege der Jakobspilger im Rheinland", Band 2, S. 187, gab es in Butzweiler schon "zur Zeit der Römer Besiedlung." Das "dokumentieren Zeugnisse wie eine römische Hausanlage, ein Steinbruch und wahrscheinlich auch ein Kalkofen. Bis in die zweite Hälfte des 2. Jahrhunderts wurde ein noch in Resten vorhandenes römisches Kupferbergwerk, ca. 2 km nordöstlich des Ortes betrieben..."
Meine nächsten Schritte führen mich natürlich wie (fast) immer erst einmal in die Dorfkirche St. Remigius, ihres Zeichens eine Barockkirche. Älteste Funde über eine Kirche in Butzweiler reichen wohl bis ins 11. Jahrhundert zurück. Weiteres kann man unter obigem blau markierten Link nachlesen. Nachdem ich mich ein wenig in dieser Kirche aufgehalten habe, auch, ich gestehe es, um ein bisschen anzutrocknen, beschließe ich, alleine weiter zu gehen, denn meine heutige Teilstreckenbegleitung möchte hier erst noch Brotzeit halten. Dazu habe ich gerade gar keine Lust und so verabschieden wir uns voneinander, allerdings nicht das letzte Mal für heute, wie sich später herausstellen wird.
Der Weg führt aus Butzweiler heraus ziemlich steil bergan erst einmal an der Straße entlang und biegt schließlich an einem Wegekreuz nach links ab. Er bleibt auch als Landwirtschaftsweg, der quer durch Wiesen und Felder führt, die ganze Zeit geteert. Eigentlich bin ich ganz froh, dass heute ein Regentag ist, denn schiene hier auf dieser Strecke jetzt die Sonne, wäre ich wahrscheinlich schon jetzt kross durchgebraten wie ein Grillhühnchen, da es hier kaum Bäume und schon gar keinen Wald gibt. Dann "schwimme" ich lieber entennass durch die Felder... Obwohl... Enten sind ja, glaube ich, nie nass, weil ihr Gefieder so gut gefettet ist. Na, da sind sie mir gegenüber vor allem gerade heute klar im Vorteil.... Meine Regenjacke ist nur Alibi, viel nutzt sie wirklich nicht mehr, vor allem bei dem heute nicht versiegen wollenden Regen, aber, wie gesagt, es ist nicht kalt, mich stört die Nässe nicht.
Irgendwann endet die Steigung und es geht wieder bergab. Unterwegs schließe ich noch Bekanntschaft mit ein paar Pferden, die die Nässe auch nicht sonderlich zu stören scheint. Wir nicken uns freundlich-tropfnass zu, und ich gehe weiter meiner Wege. Kurz darauf erreiche ich Lorich.
Lorich "liegt wie eine Insel, von steil abfallenden Hängen umgeben, am Rande des Bitburger Gutlandes. Bis heute ist Lorich überwiegend landwirtschaftlich geprägt. Die sehenswerte Kirche St. Paulinus .... liegt über dem Dorf im Schatten alter Esskastanien... " aus: "Jakobswege, Wege der Jakobspilger im Rheinland", Bd.2, S. 188.
Natürlich möchte ich auch hier gerne die kleine Kirche besichtigen, doch sie ist zu meinem Leidwesen geschlossen.
Schade. Also schnüre ich "mein Ränzlein", lasse die Kirche im wahrsten Sinne des Wortes links liegen, verlasse Lorich, das übrigens die ganze Zeit wie ausgestorben wirkt, und folge hinter dem letzten Haus des Dorfes einem kleinen Pfad, der mich erst durch ein paar Wiesen bergab führt bis zum Waldanfang. Hier wird es jetzt richtig steil und das wird bis ins Biewerbachtal hinunter auch so bleiben.
Ab Lorich wird die Markierung des Jakobsweges übrigens deutlich unübersichtlicher, bzw. einfach ziemlich schlecht. Darum ist es hier ratsam, sich an die Markierungen des Wanderweges 6 zu halten. Der Weg führt mich zuerst noch am Waldrand entlang und taucht schließlich mitten in den Wald hinein.
Ich gehe nun sehr vorsichtig, denn der Pfad ins Tal hinunter ist nicht nur sehr steil, sondern durch den ständigen Regen auch ziemlich glatt. Ich klettere über kleinere Steinabbrüche, rutschige Wurzeln, wate durch matschiges Laub, passiere immer wieder den einen oder anderen Sandsteinfelsen. Und das alles sehr vorsichtig und im Schneckentempo. Denn, wenn ich hier einmal ins Rutschen und Fallen gerate, dann gute Nacht... Teilweise ist der Weg sehr schwer zu erkennen, weil er von Gestrüpp zugewachsen zu sein scheint. Ich hege mehr als einmal die Befürchtung, dass ich womöglich diese steile Strecke wieder nach oben steigen muss, weil ich mich verlaufen haben könnte. Glücklicherweise ist das aber nicht der Fall. Als ich relativ unbeschadet das untere Drittel des steilen Abhanges erreicht habe, mache ich eine kleine Pause direkt am Wegesrand unter einem Sandsteinfelsen. Denn das ist das einzige Plätzchen weit und breit, an dem es einigermaßen trocken zu sein scheint, da der Fels oben wie ein schützendes Dach ein bisschen "überhängt".
Nach meiner Pause unter dem Sandsteinfelsen dauert es auch nicht mehr lang, bis ich das Biewerbachtal erreiche. Vor allem meine Beine freuen sich sehr darüber, dass sie nun nicht mehr steil bergab laufen müssen, denn mittlerweile merke ich wieder einmal, dass das Bergablaufen anstrengender sein kann, als das Bergauflaufen. Mein Weg mündet unten im Tal an einer Landstraße. Ihr muss ich ein Stück weit nach rechts folgen an einer kleinen Mühle vorbei. Kurz dahinter biegt mein Weg nach links ab in einen Wald hinein.
Ca. 100 m weiter muss ich noch einmal links abbiegen. Jetzt geht es das Biewerbachtal hinunter Richtung Mosel. Der Waldweg führt mich unter der Biewertalbrücke, über die die A 64 verläuft, hindurch. Da die Landschaft wegen des Biewerbaches ziemlich feucht und auenähnlich ist, gedeiht hier das Indische Springkraut, das ja eigentlich gar keine einheimische Pflanze ist, vorzüglich. Von der Blüte her sieht es ein bisschen orchideenähnlich aus. Ich finde ja, man kann es meistens schon eher riechen als man es sieht. Diesen sehr intensiven süßlichen Geruch mag ich gar nicht, mir wird davon immer leicht übel. So auch dieses Mal. Das hat zur Folge, dass ich ziemlich hektisch, fast im "Jogging-Trab" über diesen Wald-Auen-Weg haste. Na ja, das ist vielleicht ein bisschen übertrieben. Aber nur ein bisschen...
Irgendwann hinter der Autobahnbrücke gelingt es mir schließlich erfolgreich, das Indische Springkraut abzuhängen. Mein Weg führt weiter am Biewerbach entlang. Eine Zeit lang auf einem Wirtschaftsweg, später wieder am Waldrand, immer parallel zur Straße und zum Biewerbach bis nach Biewer hinein. ..."Biewer liegt an der Mündung des Biewer-bzw. Aacherbaches in die Mosel. Begrenzt wird der Ort durch die steilen Moselhänge und die linksseitige Moselbahnstrecke. Biewer war bereits zur Römerzeit von Bedeutung, da durch das Biewertal eine Römerstraße die Mosel mit der Heerstraße Trier-Köln verband. In frühchristlicher Zeit trafen sich im Ort die ersten Christen der Region zu ihren Gottesdiensten. Neben der Pfarrkirche St. Jakobus ist die Kapelle St. Jost am westlichen Ortsausgang erwähnenswert. Beim Jakobusbrunnen erreicht der Weg das Moseltal...."
(aus : "Jakobswege, Wege der Jakobspilger im Rheinland", Bd.2, S. 189...).
Und nun heißt es in meinem Wanderführer: Outdoor... Inge Retterath: "Jakobsweg , Via Coloniensis von Köln nach Trier", S.205/206:
"Überqueren Sie die Biewerer Straße und gehen Sie geradeaus durch den Hofweg zur St.-Jost-Straße. Dort gehen Sie rechts und nach 20 m links durch die Eisenbahnunterführung zum Achterweg. Diesem folgen Sie nach rechts Richtung Moselwanderweg. Sie überqueren den Biewerbach.... unterqueren die B53 ....Nun haben Sie den Moseluferweg erreicht, auf dem Sie 2,5 km flussaufwärts zur Kaiser-Wilhelm-Brücke in Trier-Pallien marschieren. Rechter Hand erhebt sich beeindruckend die Felswand mit dem Trierer Sandstein in allen Rottönen. Oben auf dem Felsen verläuft der Eifelsteg durch den Wald, allerdings fehlt den Wanderern dort der hinreißende Anblick der Sandsteinfelsen, den Sie hier aus dem Tal genießen können..."
Bestimmt runzelt der geneigte Leser nun seine schöngeistige Stirn und wundert sich, warum ich hier die Wegbeschreibung eines anderen Buches zitiere. Nun, das liegt einzig und alleine daran, dass ich damit verdeutlichen möchte, dass mich offensichtlich in Biewer sämtliche intellektuellen Fähigkeiten verlassen haben, oder die Schwaden des Dauerregens mir komplett das Hirn vernebelt haben. Vielleicht lag´s ja auch am Standort. Sie sehen, ich suche nach mehr oder weniger plausiblen Erklärungen für den Irrweg, den ich nun einschlug, als ich in Biewer meinen Weg suchte, ihn nicht mehr fand, weil ich die Wegbeschreibung nicht ordentlich las und dann die falsche Fährte verfolgte, die mich zwar auch nach Trier führte, aber auf einem riesigen Umweg.
Die Trierer Sandsteinfelsen sah ich nicht. Zumindest nicht vom Moseluferweg aus, soweit dies schon einmal vorweg.
Als ich durch Biewer laufe, suche ich leicht verzweifelt meine Wegbeschilderung, die Jakobsmuschel. Meinen Wanderführer ziehe ich nicht mehr zu Rate, da ich davon ausgehe, dass ich mich hier im Ort auf keinen Fall verlaufen kann. Und das ist, wie sich einige Zeit später herausstellt, ein Irrglaube. Es regnet ohne Unterlass, mir beginnt das ewige Nass auf den Nerven herumzutanzen. Außerdem werde ich langsam müde. Das steile Bergabgehen fordert langsam seinen Tribut.
Darum bin ich sehr erleichtert, als ich endlich meine lang ersehnte Wegmarkierung entdecke, die mich aber, oh Wunder, aber ein schreckliches, wieder einen Berg hinaufführt. Hätte ich meinen Wanderführer sorgfältig durchgelesen, wäre mir aufgefallen, dass das nicht der "richtige" - zumindest nicht "mein" Jakobsweg sein konnte. Denn hier bei Biewer trifft noch ein weiterer Jakobsweg ein, der von Schweich aus kommende Moselcamino. Aber ich war ziemlich kurzsichtig, auch intellektuell gesehen....
Und so kommt es, dass ich wieder einmal leise fluchend - eigentlich ziemlich wutschnaubend diesen nicht auf meiner Strecke vorgesehenen Weg erklimme. Ich steige die oben im Wanderführer erwähnten Sandsteinfelsen hinauf, anstatt sie, wie ursprünglich vorgesehen, unten von der Mosel aus zu bewundern. Das kostet mich mindestens zwei Stunden extra, da zu diesem Zeitpunkt der ziemlich anstrengende Weg seinen Tribut von mir fordert. Ich bin ziemlich erschöpft, klatschnass und den Tränen nahe. Aber ich gebe nicht auf, nicht so kurz vor dem Ziel. Oben vom Sandsteinfelsen aus habe ich schließlich einen großartigen Blick auf und über Trier, der mich trotz der zusätzlichen Strapaze, ein wenig besänftigt.
Der Moselcamino, den ich also hier zum krönenden Abschluss irrtümlicherweise laufe, führt mich längere Zeit über die Sandsteinfelsen, die mir diesen schönen, wenn auch nassen Blick über Trier gewähren. Das entschädigt mich für die zusätzlich ausgestandene Strapaze hier herauf, denn der Weg führt ziemlich steil auf die Felsen hinauf. Tapfer gehe ich weiter, bis ich schließlich irgendwann das Tal hinunter nach Trier erreiche. Ich bin sehr erleichtert, aber auch sehr stolz auf mich, als ich schließlich auf der Kaiser-Wilhelm-Brücke vor den Toren Triers stehe. Acht Tage hintereinander allein durch die Eifel, mit Ausnahme eines Tages, an dem ich Begleitung hatte. Wind und Wetter getrotzt, (meistens hatte ich ja schönes Wetter), von gelegentlichen Irrwegen immer wieder auf den richtigen Weg zurückgefunden, wie allegorisch für das "wirkliche" Leben. Nur mit dem Unterschied, dass ich im "richtigen" Leben manchmal sehr spät bemerke, dass ich mich auf einem Irrweg befinde, und es dementsprechend länger dauert, bis ich meinen Weg wieder gefunden habe.
In der Touristinfo in Trier, die gerade noch so geöffnet hat (welch ein Glück) organisiere ich mir ein Bett für die kommende Nacht.
In der Liebfrauenkirche, einer meiner Lieblingskirchen in Trier, die ich auch viel schöner finde als den Dom, beende ich schließlich diese Etappe. Stolz und glücklich darüber, mich durchgeschlagen zu haben. Und es hat meistens Spaß gemacht, ich habe nette Menschen kennengelernt und war ganz viel allein mit mir, was mir sehr gut getan hat.
Mit diesen Gedanken suche ich meine heutige Unterkunft auf. Als ich sie nach ca. einer halben Stunde erreicht habe, sind meine weiteren Pläne für diesen Abend sehr einfach. Duschen und dann schlafen. Hunger habe ich keinen. Ich bin sogar dafür zu müde.
Am nächsten Morgen eliminiere ich schließlich meine löchrige Regenjacke, die letztendlich mehr Regen durchgelassen als abgehalten hat.
Ausgeschlafen verlasse ich meine Unterkunft und mache mich erneut auf den Weg Richtung Dom und Liebfrauenkirche.
Ich habe für Kunst-Architektur-und Geschichtsinteressierte beide Kirchen verlinkt. Oben habe ich ja schon einmal erwähnt, dass mir die gotische Liebfrauenkirche deutlich besser gefällt, als der Dom mit seinem mir merkwürdig erscheinenden Stilmix. Dennoch finde ich in dieser Kirche die Krypta sehr schön. Aber ich bin auch ein Fan von Krypten, weil sie meistens sehr schnörkel- und schmucklos gebaut sind, und das mag ich.
In der Liebfrauenkirche zünde ich meine obligaten Kerzen für die Menschen an, die mir besonders am und im Herzen liegen, wie immer.
Danach verlasse ich diese Stätte und lasse mich von den Menschenmassen durch Trier treiben. Anders kann man es wirklich nicht ausdrücken. Es ist so voll, und bald merke ich, dass mir das nach den acht Tagen Einsamkeit sehr sehr sehr auf die Nerven geht. Und deshalb beschließe ich, meinen Aufenthalt in Trier abzukürzen, mich in den Zug zu setzen und die Heimreise anzutreten.
Während der Bahnfahrt lasse ich die Tage im Geiste noch einmal Revue passieren und merke, dass ich einige Zeit brauchen werde, diese Tage, die mir so gut getan haben, zu verarbeiten.
Mit Sicherheit war das nicht die letzte Etappe, die ich gegangen bin. Im nächsten Jahr, 2018, möchte ich gerne weitergehen. Dann werde ich ab Trier Richtung Dreiländereck wandern.
Ich freue mich.
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