Dienstag, 22.5.2018. 2. Kapitel meiner Pilgerreise, 1. Etappe: Von Trier nach Konz, ca. 12,6 km
Karte, Jakobsweg, Köln - Trier - Metz
Am nächsten Morgen wache ich noch vor meinem Wecker gegen 5.30 Uhr auf. Da ich aber noch nicht zu nachtschlafender Uhrzeit in der Gegend herumgeistern möchte, flegele ich mich noch ein wenig in meinem Bett herum. Trotzdem bin ich früh auf den Beinen und die erste, die gegen 7.30 unten im Speiseraum zum Frühstück erscheint. Während ich zufrieden meinen Tee schlürfe, tröpfeln nach und nach die anderen Gäste ein. Ein sehr sympathisch und völlig verstrubbelt aussehender Schweizer mit seiner sehr unfreundlichen Gattin fallen mir sofort ins Auge. Manche Paarkonstellationen finde ich schon sehr ... eigentümlich. Nachvollziehen kann ich´s oft nicht, aber das ist ein weites Feld, und vielleicht sollte ich endlich mal zu dem Punkt gelangen, an dem ich mir sage, dass ich auch nicht alles verstehen muss und es mir eigentlich auch egal sein kann ... Aber interessant ist es trotzdem.
Die "Concierges" dieses kleinen Hotels scheinen aus einem anderen Jahrhundert zu stammen, ich komme mir wie in eine andere Zeit versetzt vor. Es ist hier sehr ruhig, leise, klassische Musik spielt im Hintergrund, so wurde ich beim "Check-In" zum Beispiel mit Händels Wassermusik empfangen. Automatisch beschleicht mich das Gefühl, ich müsse mich auf Zehenspitzen bewegen und habe auch fast den Eindruck, ich befinde mich hier in einer Kirche.
Nach dem Frühstück schleiche ich mich aus dieser sakral wirkenden Atmosphäre, raune einem der "Concierges" ein "Auf Wiedersehen" zu, sammle dann wieder einmal meine Siebensachen zusammen und ziehe los.
Die ersten, zweiten und dritten Schritte dieses Tages werden mich quer durch Trier, von der Porta Nigra, also eher der nördlichen Seite der Stadt, in deren Nähe sich meine Unterkunft befindet, bis an das südwestliche Ende der Stadt führen. Erst einmal laufe ich zur Liebfrauenkirche, die direkt an den Dom "gekoppelt" ist. Diesen lasse ich jedoch links liegen, da mir die Liebfrauenkirche viel besser gefällt. Hier zünde ich wieder meine Kerzen für meine Lieblingsmenschen an und beginne meinen Weg.
Dieser führt mich zuerst einmal zur Konstantinbasilika, die ich immer schon interessant anzusehen fand, mit ihrer geraden schlichten Form und ihrer gewaltigen Größe. Vor allem das Kreuz über dem Altar hat es mir angetan. Auch hier lege ich eine Spur, indem ich eine Kerze anzünde, etwas ins Buch hineinschreibe, das dort ausliegt.
Danach gehe ich weiter ... direkt in den Palastgarten hinter der Basilika und schlendere zwischen den Hecken, an Statuen vorbei, unter den Bäumen entlang und genieße das (noch) angenehm warme Wetter und die Frühlingsluft. Ich fühle mich in die Romane von Jane Austen versetzt. Weitere romantische Anwandlungen verbitte ich mir, sonst komme ich heute nicht weiter.
Trier ist eine sehr alte Stadt und strotzt vor Kirchen. Eigentlich ein gefundenes Fressen für mich, die ich ja Kirchen sehr liebe, vor allem die schnörkel- und schmuckarmen aus der Zeit der Romanik und der Gotik. Ich glaube, das habe ich jetzt schon oft erwähnt.
Die nächste Kirche, die mein Weg kreuzt, ist die jesuitische Dreifaltigkeitskirche, in der sich jemand mit einer Vorliebe für die Farbe Gelb "ausgetobt" hat, und zwar in sehr grellen Tönen. Es blendet mich regelrecht, als ich die Kirche betrete. Da ich mich hier nicht besonders wohl fühle, bin ich auch ziemlich schnell wieder draußen.
Nach diesem kleinen Zwischenstopp wandere ich weiter die Brotstraße entlang, die dann nach einiger Zeit zur Saarstraße wird, weiter in die Neustraße, bis ich dann schließlich nach vielen geteerten Metern endlich das Matthiaskloster erreiche. Hier werden die Reliquien des Apostels Matthias verehrt. Die äußere Frontseite der Kirche ist eine Mischung aus romanischen, barocken und klassizistischen Elementen. Näheres zum Bau und der Geschichte des Klosters kann man unter o.a. Link nachlesen.
Als ich die Kirche betrete, empfängt mich eine andächtige Stille, ganz anders und, ich möchte fast sagen, behutsamer, als in den Kirchen der Trierer Innenstadt. Das mag daran liegen, dass hier am Rande der Stadt viel weniger Trubel und Hektik herrscht. Ein paar Benediktiner sitzen in den Bänken und beten, eine kleine Gruppe Matthias-Pilger kommt mir entgegen, verschwindet dann durch die Kirchentür nach draußen, was aber jetzt keinen ursächlichen Zusammenhang mit meinem plötzlichen Auftreten hat, glaube ich...
Mindestens genauso schön, wie die Kirche "oben", finde ich die Krypta unter ihr. Gerade und schlicht, wie Krypten meines Wissens nach eigentlich immer sind. Dort bleibe ich sehr lange. Die Atmosphäre intensiviert sich, als plötzlich "oben" die Mönche das Mittagsgebet - ist es die Sext? - singen. Reinste Meditation. Choräle berühren mich immer sehr, vorallem, wenn ich sie vor Ort, also in der Kirche höre. Ein guter Zeitpunkt, ein bisschen bei sich anzukommen. Wieder einmal. Wenn ich auch weiß, dass das nicht von Dauer sein wird.
Irgendwann tauche ich in´s Jetzt zurück und verlasse diesen meditativen Ort. "Oben" zünde ich wieder eine Kerze an, das Symbol für das Licht, das den Weg nach Hause zeigt, wo auch immer das ist, für die Wärme des Feuers, das ich gerne mit Vertrauen, Geborgenheit und Liebe assoziiere... Mit diesen Gedanken und einer gefühlten schönen Ewigkeit verlasse ich die Kirche, bevor ich doch noch zu melancholisch werde und über Gegebenheiten nachgrüble, die ich anscheinend doch nicht ändern kann, so gerne ich das auch täte.
Im Innenhof des Klosters begegne ich dann einem sympathischen Dreiergespann, das eine lebhafte Unterhaltung führt. Als die drei mich erspähen, fragen sie mich unter anderem nach meinem Weg - dem heutigen. ( Als Pilger wird man oft angesprochen, obwohl ich für meinen Teil noch nicht einmal die typischen Attribute eines Jakobspilgers, wie z.B. den Pilgerstab, besitze. Ich trage lediglich eine kleine Jakobsmuschel als Kette um den Hals.)
Auf meine Antwort, meint einer der Männer, der an sein Auto gelehnt da steht, breit grinsend: "Ach, nach Konz? Da muss ich auch noch hin. Soll ich Sie mitnehmen?" "Führen Sie mich nicht in Versuchung", entgegne ich mit einem ebenso breiten Grinsen, ernte lautes Gelächter für meine Bemerkung, winke ihnen noch einmal zu und gehe meines Weges.
Eine Weile muss ich nun noch an der Straße entlang gehen, dann gelange ich endlich an das Ufer der Mosel - endlich - , denn die Straßentreterei hat mich etwas mürbe gemacht. Ich wandere lieber auf weichen Wald- oder Wiesenpfaden.
Ich bin froh, die Stadt hinter mir lassen zu können. Trier ist nicht so klein...
Der Weg nach Konz - bzw. - bis kurz vor Konz führt ab jetzt immer an der Mosel entlang. Er ist "eingebettet" zwischen dem Fluss, der rechts an mir vorbeifließt und der Bahnlinie bzw. der Schnellverkehrsstraße, die links an mir vorbeiführen. Leider geht der Weg auch geteert weiter, weil er gleichzeitig als Radweg dient. Trotzdem entschädigt die immerwährende schöne Aussicht auf das Wasser den mir unangenehmen Weg. Ich laufe jetzt immer weiter in südliche Richtung, moselaufwärts, der Sonne entgegen. Dabei entstehen einige schöne Fotos. Ich lasse mir Zeit. Bis Konz ist es nicht so weit. Es begegnen mir einige Fahrradfahrer und ein Schwan faulenzt am Wegesrand im Schatten. Wir nicken uns verständnissinnig zu, was mich dann auf die Idee bringt, ebenfalls eine kleine Pause zu machen.
Im Laufe des Nachmittags ziehen immer mehr Wolken am Himmel auf. Die bisherige Brise Wind beschließt, sich deutlicher bemerkbar zu machen. Sonne und aufziehende Wolken geben einander die Hand. Die Stimmung am Wasser ist herrlich, wunderbare Lichtspiele.
Aus der Ferne höre ich jedoch leises Donnergrollen, das sich unaufhaltsam nähert.
Also lege ich einen "Zahn" zu und erreiche kurz vor dem Gewitter meine heutige Unterkunft auf einem Campingplatz.
Für heute nacht habe ich mir ein ungewöhnliches Projekt überlegt, denn ich werde hier auf diesem Campingplatz in einem sogenannten "Schlaffass" übernachten. Als ich dort hineinkrieche, fühle ich mich ein bisschen wie Bilbo Beutlin aus "Herr der Ringe". Von meiner Größe her kommt das auch fast hin.
Circa eine halbe Stunde nach meiner Ankunft hat das Gewitter auch den Campingplatz erreicht. Ich kuschle mich gemütlich in mein Fass und lausche dem Trommeln der Regentropfen, die an meine Fassdecke klopfen, was sehr deutlich zu hören ist, da die Decke ziemlich niedrig ist. Wer in diesem Fass übernachten möchte, sollte auf keinen Fall klaustrophobisch veranlagt sein.
Ich erhalte eine WhatsApp-Nachricht mit der Nachfrage, ob ich das Fass vorher erst leer trinken musste, um es dann mieten zu können. Meine Antwort lautet: .......... "Natürlich" ...
Jetzt bin ich volltrunken und falle bald, begleitet nur von den prasselnden Regentropfen, in einen narkotischen Schlaf. :)
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